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Weichenstellung für die Zukunft des Rugbysports: Globale Kalenderanpassung steht kurz bevor
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Mittwoch, 3. Juni 2020

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Owen Farrell tacklet Südafrikas Handre Pollard. Künftig soll es einheitliche Länderspielfenster weltweit geben, auch um gleiche Rahmenbedingungen für Teams zu schaffen. Foto (c) Perlich

Die mittlerweile seit knapp drei Monaten andauernde Coronapause im internationalen Rugby wird von den Offiziellen des ovalen Ballsports weiter für wichtige Weichenstellungen genutzt. Nachdem zuletzt World-Rugby-Präsident Bill Beaumont nach einem intensiv geführten Wahlkampfes gegen Herausforderer Agustin Pichot im Amt bestätigt wurde (TR berichtete), scheint nun eine Lösung im seit Jahren schwelenden Konflikt um einen einheitlichen internationalen Rugby-Kalender in Sicht. Nach wochenlangen intensiven Diskussionen soll am 15. Juni in Dublin eine Entscheidung getroffen werden - Widerstand dürfte vor allem von den Profi-Klubs zu befürchten sein.

Seit längerem gibt es auf beiden Seiten des Äquators Unzufriedenheit mit der jetzigen Situation. Zu viele Überschneidungen zwischen den Profiligen und den Länderspielfenstern mindern beispielsweise den sportlichen Wert der parallel zu den Six Nations stattfindenden Ligaspiele der Premiership, Top 14, oder Pro 14. Spielervertreter wiederum wollen die Zahl der pro Spieler zu absolvierenden Partien insgesamt senken und die Pause zwischen den Spielzeiten verlängern. Grundsätzlich sollen die Kalender im Norden und Süden einander angeglichen werden, um gleiche Voraussetzungen für die Teams zu sorgen, sofern klimatische Bedingungen das zulassen.   

Als größtes Hindernis gilt die verschiedenen Interessen aller Parteien unter einen Hut zu bringen. Die Vertreter der größten Nordhemisphären-Ligen sitzen genauso am Tisch, wie die Vertreter der Six Nations und Rugby-Championship-Länder. Bereits am vergangenen Wochenende wurden laut der französischen Rugby-Bibel Midi Olympique (in etwa der Kicker Frankreichs, allein auf Rugby bezogen und mit sechsstelliger Auflage) die Erst- und Zweitliga-Klubs der Grande Nation von Liga-Präsident Paul Goze über verschiedene Optionen, die derzeit diskutiert werden, informiert. Laut MidOl liegen folgende Optionen auf dem Verhandlungstisch:

Option 1: Aus den bisherigen drei Länderspiel-Blocks sollen zwei werden - die Six Nations und die Rugby Championship sollen demnach im europäischen Frühjahr stattfinden, höchstwahrscheinlich einige Wochen später, als die Six Nations in den letzten Jahren, also bis in den April hinein. Die bisherigen Juni/Juli-Länderspiele der Nord-Nationalmannschaften im Süden sollen in den Oktober verlegt werden, um dieses Länderspielfenster mit dem im November zu kombinieren. In diesem Fall würde die Klub-Saison in Europa zweigeteilt: Januar und Februar würden acht Spiele ausgetragen und der Rest der Saison dann von April/Mai bis in den September.

Option 2: Six Nations und Rugby Championship bleiben bei ihren jetzigen Austragungszeiträumen, aber dafür beginnen die Spielzeiten der europäischen Topligen nach den Six Nations und gehen bis in den September. Oktober und November wären als vereinigtes Spielfenster für Länderspiele reserviert. Vereins- und Länderspiele wären getrennt.

Widerstand bei Klubs und Traditionalisten

Die Midi Olympique berichtet aber ebenso, dass sich bereits Widerstand bei den Klubs formiert. Dort fürchtet man um das gut funktionierende Geschäftsmodell und erwartet Einnahmeausfälle - beispielsweise auch, da in Frankreich die langen Sommerferien quasi sakrosankt sind und mit der Tour de France schon ein wichtiges Sportereignis genau dann stattfindet.

Ebenso hat sich dieser Tage Ex-England-Kapitän Martin Johnson negativ zur Idee einer über den Sommer gehenden Saison gestellt. „Vergesst es - die Menschen in diesem Land wollen Rugby den Winter über sehen“, so der Weltmeister-Kapitän zur Daily Mail. Johnson hat über seine 92 Länderspiele und 362 Klub-Spiele für die Leicester Tigers so manche Schlacht im knöcheltiefen Matsch ausgetragen. Aber ob der Großteil der Öffentlichkeit so denkt, dürfte bezweifelt werden.

Rugby-Spiele bei schnellen Bedingungen und trockenem Ball sind im Regelfall attraktiver für den Zuschauer. Jedoch ergibt sich auch in Großbritannien ein ähnliches Problem, wie in Frankreich: Der britische Sportsommer ist mit Wimbledon, Cricket und alle zwei Jahre Fußball-EM und WM-Turnieren meist schon mit Großereignissen belegt. Rugby müsste sich die Aufmerksamkeit in den Medien hart erarbeiten, während die traditionellen Boxing-Day-Matches entfallen würden.

 

Solche Bilder stehen für Rugby, auch wenn sie für den Zuschauer nicht immer attraktiv sind


Kieran Read, der ehemalige Kapitän der All Blacks, äußerte in einem Interview mit dem New Zealand Herald bereits die Befürchtung, dass sich der finanzstärkere Norden durchsetzen werde und auf den Six Nations im jetzigen Zeitrahmen beharren werde. Mit parallel stattfindenden Six Nations und Rugby Championship könnten Nationalspieler der Süd-Teams künftig für europäische Vereine und ihre jeweiligen Nationalteams auflaufen.

Eine komplette Trennung von Klub- und Länderspielsaison dürfte schlussendlich aber von allen Seiten begrüßt werden. Klubs müssten nicht länger auf ihre Stars verzichten, wenn diese für ihr Land auflaufen und den Verbänden würden Konflikte erspart. Vor allem Nationalmannschaften aus der zweiten und dritten Reihe hätten wohl weniger Probleme, ihre Spieler von den Profiklubs loszueisen. 

Auswirkungen auf Deutschland: Saisonverschiebung und Abstellung der Auslandsprofis?

Sollte die internationale Rugby-Saison global angeglichen werden, hätte dies nicht zwangsläufig Konsequenzen für das deutsche Liga-System. Die Entscheider hierzulande könnten die Ligen weiterhin im bisherigen Rhythmus belassen, sowie wie beispielsweise aktuell auch mehrere nordische Länder die Saison das Kalenderjahr über austragen. Auch hierzulande hat die Umstellung der Saison auf das Kalenderjahr ihre Anhänger - Frankfurt-1880-Meistercoach Byron Schmidt beispielsweise, der sich im Gespräch mit TR für eine Umstellung ausgesprochen hat.

Jedoch würden die Rugby-Europe-Wettbewerbe höchstwahrscheinlich parallel zu den Six Nations in den späteren Frühjahr verschoben werden - mitten in die entscheidenden Phase der hiesigen Ligen. Da die Bundesliga weiterhin das Rückgrat der Nationalteams bereitstellt, müsste man eine Anpassung zumindest bedenken.

Der wohl größte Vorteil aus deutscher Sicht im Falle einer Anpassung des globalen Kalenders inklusive Eliminierung der Überschneidungen von Klub- und Länderspielsaison, wäre die Verfügbarkeit der deutschen Auslandsprofis. Die letzten Coaches der schwarzen Adler und in geringerem Ausmaß auch des Wolfpacks hatten allesamt immer wieder Probleme, Profispieler aus Frankreich und England für Länderspiele und Turniere loszueisen.

Obwohl nach World-Rugby-Regularien eine Abstellung erfolgen muss, sitzen die Vereine gegenüber kleineren Verbänden meist am längeren Hebel. Immerhin sind allein sie es, die den Spielern ihre Gehälter finanzieren und selbst wenn im Einzelfall eine Abstellung nicht verhindert werden könnte, drohen viele Vereine ihren Spielern mit einer Gehaltskürzung oder einer ausbleibenden Verlängerung des Arbeitspapiers.

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