Wird es 2020 überhaupt einen deutschen Rugby-Meister der Herren geben.
Am morgigen Samstag entscheidet der Rugby-Bundesligaausschusses wie mit der laufenden Saison, die kurz vor dem Rückrunden-Start Corona-bedingt unterbrochen werden musste, weiter verfahren wird. Der RBA will sich in enger Abstimmung mit den Klubs der Bundesligen einigen und einen möglichst breiten Konsens finden. Die Frage, ob es einen deutschen Rugby-Meister 2020 geben wird und wie mit Auf- und Abstieg verfahren wird, dürfte kontrovers diskutiert werden.
In England (unterhalb der Premiership) und Frankreich wurden die laufenden Spielzeiten bereits abgebrochen, genauso wie in der deutschen Frauen-Bundesliga und Siebener-Liga (TR berichtete). Doch eine entscheidende Frage wurde hierbei jeweils anders gelöst: Wie verfährt man im Falle eines Abbruchs mit Auf- und Abstieg.
Während in Frankreich keine Auf- und Absteiger festgelegt wurden und der Start in die kommende Saison in gleicher Besetzung erfolgen wird, wurde in England vom Verband RFU ein Schlüssel zur Bestimmung der Auf- und Absteiger entwickelt, der zu Abweichungen vom Tabellenstand zum Zeitpunkt des Abbruchs führte.
So kam es beispielsweise in der drittklassigen National 1 zur kuriosen Situation, dass der Tabellenzweite Rosslyn Park, trotz zweier Siege gegen den schlussendlich als Aufsteiger bestimmten Richmond RFC und nur sieben Zählern Rückstand bei fünf ausstehenden Spielen, am Ende nur als Dritter gewertet wurde.
In Deutschland hatte RBA-Vize Ingo Goessgen schon Ende März von drei möglichen Szenarien gesprochen (TR berichtete): Abbruch der Saison und kompletter Neustart im Herbst; eine verspätete Beendigung der Saison über den Juli hinaus; oder eine ungewöhnliche Lösung, beispielsweise im Herbst die Rückrunde auszuspielen, beziehungsweise ausnahmsweise eine Spielzeit mit drei Halbserien spielen.
Die Entscheidung über das weitere Vorgehen soll möglichst auf einem breiten Konsens basieren, nicht zuletzt, weil den Offiziellen seitens zweier Klubs schon mit rechtlichen Schritten gedroht worden sein soll. Wir von TR haben uns in den letzten Tagen bei den Klubs im Oberhaus umgehört, um ein Stimmungsbild vor der entscheidenden Sitzung zu erhalten.
2019 gewann Frankfurt 1880 den Meistertitel in einem packenden Finale gegen den TSV Handschuhsheim
Meistertrainer Byron Schmidt von Frankfurt 1880 sieht die jetzige Situation als „Chance sich Gedanken über das gesamte Bundesliga-Model zu machen“. Der Südafrikaner, der seit Jahresanfang auch die schwarzen Adler coacht, würde sich mehr Kontinuität wünschen.
Eine Umstellung der Saison auf das Kalenderjahr, damit statt der Sommerpause und Winterpause nur noch eine längere Unterbrechung die kalte Jahreszeit über bestünde, wäre ganz im Sinne des 1880-Trainers. „Man könnte die Jungs den Sommer über sechs bis acht Wochen mit einem individuellen Trainingsplan in die Pause schicken, das wäre besser, als diese ewige Winterpause. Mit Blick auf den weiteren Umgang der laufenden Saison würde Schmidt es in jedem Fall vorziehen, diese zu beenden, gleichwohl würde er ebenso es akzeptieren, wenn die jetzige Saison abgebrochen würde und ein Neustart im Herbst erfolgt.
Beim anderen großen Klub aus dem Rhein-Main-Raum, dem RK Heusenstamm, ist man ebenso der Meinung, dass die Saison im besten Fall zu Ende gespielt werden sollte. Das betont RK-Präsident Markus Walger, der aber zu bedenken gibt, dass die jetzigen Regularien dies nicht zuließen.
Mehrmaligen Regeländerungen, um die laufende Saison zu retten, steht der ehemalige Nationalspieler aber skeptisch gegenüber, weswegen es seiner Einschätzung nach schwierig werden dürfte, einen Saison-Abbruch noch zu vermeiden. Eine Wertung der bisher gespielten Spiele sei insofern unfair, da die Anzahl der absolvierten Spiele unterschiedlich sei und direkte Vergleiche auch schlecht herangezogen werden können.
Beim Hamburger RC erwartet man die Ausschusssitzung gespannt und will in erster Linie einen Konsens erreichen, wie Präsident Alexander Niepold erklärt. Der aktuell auf dem Relegationsplatz befindliche HRC wolle die Saison am besten sportlich beenden und den Klassenerhalt aus eigener Kraft schaffen, auch wenn die Aussichten auf eine zeitnahe Wiederaufnahme des regulären Spielbetriebs nicht gut stünden.
Beim RK 03 Berlin tut man sich schwer einen Konsens zu finden, wie Coach Maxi Bonnano erklärt. „Es wird verdammt schwer eine Lösung für dieses Problem zu finden - nach dieser Pause werden wir mindestens sechs Wochen Vorbereitung brauchen“, wie der Argentinier erklärt. Vorgezogene Playoffs mit den drei Top-Teams beider Divisionen wären denkbar, um zumindest einen Meister auszuspielen.
Über 40 Teilnehmer in der Zoom-Ausschusssitzung
Insgesamt sind es über 40 Vereinsvertreter, die morgen das weitere Vorgehen in einem Zoom-Call mit dem Bundesligaausschuss beraten. Ingo Goessgen, der aktuell als stellvertretender Vorsitzender die Geschäfte von Jens Poff übernimmt, will eine "transparente, offene und demokratische Entscheidung", wie er im Gespräch mit TR erklärt.
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