Für viele Teams stellt sich die Frage: Weitertrainieren, oder nicht? DRV Head of Physical Performance Colin Grzanna rät explizit davon ab.
Obwohl es sich in den letzten Tagen abgezeichnet hatte, traf die unbefristete Einstellung des bundesweiten Spielbetriebs die deutsche Rugby-Community wie ein Schock. Viele Fragen bleiben aktuell ungeklärt, darunter auch, ob man den Trainingsbetrieb fortführen kann und wenn ja wie. Wir haben uns mit dem DRV Head of Phyisical Performance Colin Grzanna unterhalten, der selbst studierter Mediziner und ehemaliger Nationalspieler ist und aktuell die DRV-Maßnahmen im Bezug auf das Coronavirus koordiniert.
Grundsätzlich stehen Vereine aktuell vor dem Dilemma, ob sie den Trainingsbetrieb nach der Aussetzung des Spielbetriebs überhaupt aufrecht erhalten sollen. Denn auch wenn gesunde sportliche Menschen zwischen 18-35, die den überwiegenden Teil der Rugby-spielenden Bevölkerung ausmachen, selbst nicht dermaßen hart von den Folgen des Virus betroffen sein dürften, könnten sie doch erheblich zur Verbreitung von COVID-19 beitragen. Das wiederum gefährdet die Risikogruppen in der Bevölkerung unnötig und stellt das deutsche Gesundheitssystem vor eine massive Belastungsprobe.
Colin Grzanna rät den Vereinen deshalb explizit dazu, vorerst auf das gemeinsame Training zu verzichten und zwar in allen Altersklassen. Es gehe nun primär darum, alle möglichen Übertragungswege zu verhindern. In einer normalen Trainingseinheit gibt es derer zahlreiche. Allein über den Ball können Viren während einer Session an zahlreiche Spieler verbreitet werden. Angesichts der sich stark nach oben entwickelnden Fallzahl ist der erste Corona-Fall in der deutschen Rugby-Community eher eine Frage des wann, als des ob.
Grzanna lief selbst einst für Deutschland auf und ist nun als studierter Mediziner und Head of Physical Performance der DRV-Koordinator in Sachen Corona-Maßnahmen.
Zahlreiche Vereine setzen das Training vorsichtshalber aus
Viele Vereine in Deutschland haben bereits reagiert. Der deutsche Vizemeister TSV Handschuhsheim hat die beiden nächsten Trainingseinheiten vorsorglich abgesagt und will in der kommenden Woche die Lage sondieren, wie Coach Mark Kuhlmann gegenüber TR erklärt. Der Heidelberger RK hatte bereits gestern angekündigt, den Trainingsbetrieb vorerst einzustellen, während die RG Heidelberg die Lage so bald wie möglich bewerten möchte, wie Coach Mustafa Güngör erklärt. Rugby Pforzheim wird zeitnah über den weiteren Trainingsbetrieb entscheiden, der RK 03 Berlin hat für mehrere Wochen den Trainingsbetrieb eingestellt. Der Münchner Zweitligist StuSta München und der Kölner RSV haben anstehende Trainingseinheiten abgesagt.
Meister Frankfurt 1880 wird zunächst normal weiter trainieren, wie Trainer Byron Schmidt erklärt: „Es ist für uns als Gruppe schwer, wir haben den gesamten Winter über hart trainiert und sind nun bereit für die Saison.“
Sollten sich Vereine entgegen der Empfehlung dennoch dazu entschließen, den Trainingsbetrieb während der Spielpause weiterzuführen, sind zumindest eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen rund um das Vereinstraining angebracht:
-
Enger Körperkontakt sollte, soweit wie das im Rahmen des Trainings nur möglich ist, vermieden werden, da dies den Austausch von Körperflüssigkeiten wahrscheinlicher macht. Deshalb: Kein Training unter Vollkontakt, kein Gedränge- und Paket-Training. Touch-Rugby ist die bessere Alternative, noch besser ist es, sich lediglich zum Conditioning zu treffen und sicheren Abstand zueinander zu halten.
-
Spieler mit Schnupfen, Atembeschwerden und Husten sollten dem Training fern bleiben!
-
Verbesserte Handhygiene schon vor dem Trainingsbeginn - mechanisches reinigen der Hände mit Seife für 20 bis 30 Sekunden kann zum Teil effektiver sein, als das Nutzen von Desinfektionsmitteln. Gleiches gilt für nach dem Training.
-
Der Ball sollte vor dem Training desinfiziert werden, da Viren laut Robert-Koch-Institut auf trockenen Oberflächen tagelang infektiös sein können.
-
Während des Trainings sollten sich Spieler tunlichst nicht ins Gesicht zu fassen.
-
Kein „Huddle“ während und nach dem Training.
-
Kein Händeschütteln, keine Umarmungen.
-
Keine gemeinsamen Trinkflaschen, sondern individuell klar markierte Wasserflaschen für jeden Spieler.
-
Im Verdachtsfall 116 anrufen und den Fall schildern.
All diese Maßnahmen senken zunächst jedoch nur das Ansteckungsrisiko. Nicht umsonst empfehlen Gesundheitsbehörden um den Globus Menschenansammlungen zu meiden und wenn möglich von zu Hause aus zu arbeiten. Für die Rugby-Community geht es nun darum Verantwortung zu übernehmen und darum daran mitzuwirken, dass sich der COVID-19-Erreger nicht weiter ausbreitet.
Colin Grzanna hatte gestern im Eierköpfe Podcast den lapidaren Umgang mit dem Coronavirus vieler Deutscher kritisiert. NBA-Profi Rudy Gobert zählte bis vor wenigen Tagen zu denjenigen, die einen lapidaren Umgang mit der Gefahr pflegten. Er ignorierte auf einer Pressekonferenz Fragen zum Coronavirus, berührte demonstrativ alle Mikrofone und ist nun der erste bestätigte Corona-Fall im amerikanischen Profi-Basketball. Wegen seines Falles wird der Spielbetrieb in der NBA nun ausgesetzt. Das gestrige Spiel seiner Utah Jazz wurde am gestrigen Abend noch während des Warmups beider Teams abgesagt.
|