TR-Review Six Nations: Frankreich stolpert in Edinburgh, England siegt und hält Titelrennen offen
Geschrieben von TotalRugby Team
Montag, 9. März 2020
England und Wales lieferten sich eine großartige Schlacht, mit dem besseren Ende für den Vizeweltmeister. Foto (c) Kessler
England hatte am Samstag in einem packenden Spiel gegen Wales vorgelegt und es war an den Franzosen Sonntag-Nachmittag in Edinburgh nachzulegen. Doch les Bleus erwischten einen gebrauchten Nachmittag - Verletzungen und eine rote Karte - und trafen dazu auf eine tapfer kämpfenden schottische Mannschaft. Das Titelrennen ist nun wieder völlig offen - mit Irland, England und den Franzosen haben wieder drei Teams eine Chance auf den Titel, doch mit den Spielverschiebungen ist es aktuell unklar, wann der Six Nations Champion feststehen wird.
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Die Turnierleitung hat heute Nachmittag endgültig bestätigt: Das Duell Wales - Schottland wird wie geplant am kommenden Samstag ausgetragen, als einziges Spiel des Wochenendes. 15:15 erfolgt der Ankick. Schottland hat theoretisch noch Chancen auf den Titelgewinn, doch dafür müsste Italien in den Nachholspielen sowohl Irland, als auch England schlagen.
++++ UPDATE 12:20 Uhr ++++
Laut der französischen Rugby-Bibel Midi Olympique ist die letzte Runde der Six Nations komplett auf den 31. Oktober verschoben. Nachdem Italien-England schon vor einer Woche verschoben wurde, sollen nun auch Frankreich-Irland und Wales Schottland verschoben werden.
Mittlerweile bestätigen auch zahlreiche englische und irische Medien die Verschiebung der letzten Spielrunde der Six Nations auf den Oktober.
England 33-30 Wales
England gewinnt ein intensives und äußerst intensiv geführtes Duell, steht nun mit hervorragenden Chancen auf den Six-Nations-Gesamtsieg da und am Ende ist dennoch nicht alles in Butter. Coach Eddie Jones hatte eine späte rote Karte für Manu Tuilagi, der den fallenden George North auf dem Weg zum Versuch die Schulter mit angelegtem Arm in den Kopf gerammt hatte, als „absoluten Müll“ bezeichnet. Dem Trainer des Vizeweltmeisters droht nun ebenso eine Sperre, wie Rotsünder Tuilagi und seinem Erste-Reihe-Stürmer Joe Marler. Dieser hatte in einem Rudel Wales-Kapitän Alun Wyn Jones in dem Intimbereich gegriffen und scheinbar dort zugegriffen, wo es Männern besonders schmerzt.
Doch da England im verbleibenden Spiel nur noch gegen die schwächelnden Italiener antreten muss, dürften sich die Konsequenzen in Grenzen halten. Der Sieg gegen kampfstarke Waliser war da weitaus wichtiger. Zwei späte Versuche der Waliser durch Dan Biggar und Justin Tipuric in der Nachspielzeit ließen das Ergebnis auf dem Papier weitaus enger aussehen, als das Spiel zuvor war. England hatte mit seinem risikomeidendem Spiel - in der eigenen Hälfte kickten die Engländer konsequent alle Bälle weg - und seinen starken Sturmläufen dominiert.
Dazu erspielte sich das englische Team, das noch gegen Irland von zwei Defensiv-Fehlern profitiert hatte, seine beiden Versuche vor der Pause jeweils nach einer Angriffsgasse. Erst bediente der stark verbesserte Innen Ben Youngs aus dem Paket kommend den wiedergenesenen Außen Anthony Watson, der sich an den letzten beiden Verteidigern vorbeitanzte, zum Auftakt-Versuch. Dann verlagerte das englische Team mit einem Straftritt-Vorteil im Rücken, nachdem Youngs bei einem Lauf zu hoch getacklet worden war, blitzschnell von Seite zu Seite. Farrell und Ford machten das Spiel schnell und beförderten das Leder in Sekunden auf die offene Seite, so dass Schluss Elliot Daly außen einlaufen konnte.
Wales hatte bis zum Pausenpfiff mit drei Straftritten den Abstand klein gehalten und nach der Pause direkt mit einem Paukenschlag losgelegt. Den Ankick fing der gebürtige Engländer Nick Tompkins und leitete einen tollen Konter ein indem er zwei Verteidiger stehen ließ und auf Navidi ablegte, der im richtigen Moment zurück auf Tompkins passte - zwei weitere Pässe auf Williams und auf den Unterstützung laufenden Tipuric und Wales war nach nur 21 gespielten Sekunden unter den Stangen.
Mit dem Momentum im Rücken und auf 16-20 herangerückt sprach zu diesem Zeitpunkt einiges für die Waliser. Doch England fing sich, spielte taktisch weiterhin clever, wenn auch wenig ansehnlich und zog mit zwei Straftritten ein wenig davon. Als dann Tuilagi Englands dritten Versuch zum 33:16 legte - Wales hatte dem Power-Spiel der Engländer phasenweise zu wenig entgegenzusetzen - schien der Offensiv-Bonus zum Greifen nah.
Ausgerechnet jetzt fing sich Wales und setzte in der Schlussviertelstunde zum Sturmlauf an. Doch die beiden Versuche von Biggar und erneut Tipuric in doppelter Überzahl kamen zu spät, zuvor hatten Parkes und North das Leder in Sichtweite der Linie fallen lassen und Wales bekam als Trostpreis lediglich den Defensiv-Bonus. England hatte Straftritt nach Straftritt kassiert und vergleichsweise spät erst die Team-Gelbe kassiert. Tuilagis verdiente Rote hatte ihr Übriges dazu beigetragen.
Was blieb war die Erkenntnis: Wales befindet sich im Umbruch und zeigt aktuell gute Ansätze, ist aber für die Top-Gegner nicht stabil genug in der Defensive. England dagegen hat den personellen Umbruch nach der WM vermieden und kann mit seiner einfachen aber brutalen Taktik aktuell die meisten Gegner bezwingen und hat nun gar eine große Chance auf den Titel, trotz der Auftakt-Niederlage in Paris. Als Tabellenführer, mit der aktuell besseren Punktedifferenz und dem aussehenden Spiel gegen Italien, ist England mittlerweile Favorit der Buchmacher. Wann das abschließende Spiel in Rom allerdings stattfinden kann, steht in den Sternen.
Schottland 28-17 Frankreich
Es war für Frankreich von vorne bis hinten ein gebrauchter Sonntag-Nachmittag in Edinburgh. Les Bleus hätten den entscheidenden Schritt Richtung Grand Slam machen können, der erste seit 2010. Doch von Anfang an schien sich alles gegen das junge Team von Fabien Galthié verschworen zu haben. Schon im Warmup verletzte sich der kraftvolle Hakler Camille Chat, der noch in Wales in der Nachspielzeit per Turnover in höchster Not den Sieg gerettet hatte. Noch in der Auftaktphase der nächste Ausfall: Spielmacher Romain Ntamack, einer der besten Spieler des Turniers soweit, musste nach einem harten Tackle vom Feld.
Schottland mit einer sehr konservativen Taktik, vielen Boxkicks, aber zwei erfolgreichen Straftritten. Frankreich versuchte mehr mit dem Ball und kam nach vielen Fehlern erst in der 33. Minuten zum Erfolg. Gedrängehalb Antoine Dupont, der ohne seinen kongenialen Toulouse-Partner Ntamack nicht dermaßen effektiv war, setzte einen Zucker-Kick über die Defensive, den Außen Penaud im vollen Lauf aufnehmen und zum Versuch ablegen konnte. Nur zwei Zeigerumdrehungen nach der 7:6 Führung der Gäste das große Eigentor: In einem Gerangel, in dem beide Seiten beteiligt waren, schlug Frankreich-Prop Mohamed Haouas über die Strange und platzierte einen Faustschlag genau aufs Gesicht von Schottlands Flanker Jamie Ritchie.
Die folgerichtige Rote hatte schnell ernsthafte Konsequenzen: Ein Straftritt und zwei schön herausgespielte Versuche von Außen Sean Maitland schraubten das schottische Punktekonto von sechs auf 21 Zähler hoch. Frankreich bäumte sich trotz Uterzahl noch Mal auf, machte immer wieder Meter, doch schlussendlich auch zu viele Fehler. Dazu kam dann noch mehr Unglück - eine vom eingewechselten Dritte-Reihe-Stürmer Dylan Cretin herausgefangene Schottland-Gasse, die der Frankreich-Hüne auf seine Seite klatschte, landete direkt in den Armen von Schottlands Hakler McInally, der unbedrängt zum entscheidenden dritten Versuch einlaufen konnte. Spätestens das 28:10 war die Vorentscheidung.
Frankreich kam mit einem tollen Versuch, bei dem das Leder durch die Hände der halben Mannschaft wanderte, noch Mal in Minute 76 heran. Kapitän Ollivon hatte bereits zum vierten Mal in diesem Turnier per Versuch gepunktet. Doch ein weiterer Versuch, der den Defensiv-Bonus bedeutet hätte, wollte nicht gelingen. Das könnte Frankreich schlussendlich den Turniersieg kosten - punktgleich mit den Engländern und zwei Pünktchen schlechter in der Punktedifferenz, wird Frankreich gegen Irland höher gewinnen müssen, als England gegen Italien, ein eigentlich aussichtsloses Unterfangen. Schottland dagegen hat unter Beweis gestellt, auch ohne Magier Finn Russell gewinnen zu können und könnte in Cardiff am kommenden Wochenende für eine versöhnlichen Abschluss eines turbulenten Turniers sorgen.
Die Tabelle
Rang
Land
Spiele
Punkte
Differenz
1.
England
4
13
+15
2.
Frankreich
4
13
+13
3.
Schottland
4
10
+14
4.
Irland
3
9
+5
5.
Wales
4
7
+25
6.
Italien
3
0
-72
Vor dem letzten Spieltag und den beiden Nachholspielen können noch vier Teams den Titel holen. England hat es vermeintlich in der Hand, ein Bonuspunkt-Sieg in Rom beim Nachholtermin wäre die halbe Miete. Doch Irland kann als einziges Team noch auf 19 Zähler kommen, müsste dafür aber in Paris und daheim gegen Italien beim Nachholtermin mit Bonuspunkt gewinnen. Angesichts der sich ausweitenden Corona-Krise in Europa ist aber noch nicht abzusehen, wann die Nachholtermine stattfinden.