Das Länderspiel gegen die Schweiz war bei weitem nicht das einzige wichtige Thema Samstag in Heidelberg. Foto (c) Dorian Baro
Der 21. März wird für das deutsche Rugby in zweierlei Hinsicht eminent wichtig sein. Zum einen treten unsere schwarzen Adler daheim in Heidelberg zum letzten EM-Heimspiel gegen Litauen an. Ein Sieg wäre wichtig, um zumindest das Thema Klassenerhalt in der Rugby Europe Trophy gar nicht erst zu einem Problem werden zu lassen. Am gleichen Tag wird auf einem ADRT aber auch entschieden, ob die DRV-Führung eine Mehrheit für ihre geplante Gebührenerhöhung finden wird. Zuletzt gab es daran vom Hamburger Verband beißende Kritik und wenig später eine interne Replik von DRV-Präsident Harald Hees, sowie eine öffentliche Replik der gesamten Verbandsführung, die die finanzielle Situation des DRV im Detail darlegt, inklusive einer sechstelligen Deckungslücke.
Das Länderspiel am vergangenen Samstag war aus vielerlei Hinsicht enttäuschend. In erster Linie sportlich - die allererste Niederlage einer deutschen Nationalmannschaft gegen die Schweiz (TR berichtete) hinterlässt auch 96 Stunden danach noch einen faden Beigeschmack. Die Tatsache, dass nicht einmal halb so viele Fans im Rugby-Wohnzimmer zugegen waren, wie noch im Herbst gegen die Niederlande, ist mehr als nur ein wenig enttäuschend.
Darüber hinaus waren erneut starke Nebengeräusche abseits des Platzes im Rugby-Wohnzimmer ein dominierendes Thema. Ende letzter Woche hatte der Hamburger Rugby-Verband sich mit einem offenen Brief zu Wort gemeldet und damit für viel Wirbel gesorgt. Der erste Vorsitzende des Verbands, Nils Zurawski vom FC Sankt Pauli, äußerte sich stellvertretend für den HRV zu den geplanten Beitragserhöhungen des DRV, die auf einem ADRT in Heidelberg im Rahmen des nächsten Länderspiels am 21.3. beschlossen werden sollen.
Vehemente Kritik aus Hamburg
In aller Vehemenz kritisierte Zurawski im Namen des HRV den geplanten Schritt als „Zumutung, wenn nicht gar Frechheit“. In dem über 1000 Wörter langen Brief führt Zurawski im Detail aus, wieso der HRV diese Erhöhungen für unangemessen hält und weshalb der Landesverband sie dennoch unter gewissen Umständen akzeptieren könne. Konkret wird bezweifelt, dass überhaupt eine finanzielle Notlage beim Verband bestehe. Weiterhin wird die einstige Abhängigkeit von Gönner und Süßgetränke-Magnat Wild, sowie das kostspielige Streben nach einer WM-Qualifikation kritisiert.
Zurawskis drastische Schlussfolgerung: „Jede Zahlung mehr an den DRV zum jetzigen Zeitpunkt ist ohne einen Mehrwert für das deutsche Rugby“. Jedoch geht der HRV-Brief im Detail überhaupt nicht auf die finanzielle Lage des Bundesverbands ein und lässt dabei außer Acht, auf wessen Konto diese angeführten Fehltritte der Vergangenheit gehen. Das jetzige Präsidium hat die Zügel beim DRV vor nicht einmal einem Jahr übernommen und trägt zumindest im Hinblick auf Zurawskis konkrete Kritik keinerlei Schuld.
Forderung nach der Wiedereinsetzung der U-18 und Frauen-Nationalmannschaft
Die im Brief angeführte Bedingung für die Akzeptanz seitens der Hamburger für die Gebührenerhöhungen auf dem ADRT: Die sofortige Wiedereinsetzung der U-18 Nationalmannschaft und „in abgeschwächter Form“ selbiges für die Frauen-Nationalmannschaft, sowie eine Zweckbindung aller zusätzlichen Mittel.
Die Antwort von DRV-Präsident Harald Hees ließ nicht lange auf sich warten. Der Heusenstammer Ex-Nationalspieler wandte sich in einer internen E-Mail an den HRV-Vorsitzenden sowie einige Dutzend Vereins- und Landesverbands-Vertreter. Einerseits zeigte sich Hees in dieser Antwort verständnisvoll angesichts des vorherrschenden Misstrauens gegenüber dem DRV-Präsidium, auch vor dem Hintergrund der turbulenten letzten Jahre. Der Forderung nach der Wiedereinsetzung der Jugend- und Frauen-Mannschaften schließe er sich an. Zugleich bemängelt Hees aber auch, dass seine Gesprächsbereitschaft zuletzt auf nur sehr wenig Interesse gestoßen sei.
Darüber hinaus unterstreicht der DRV-Vorsitzende in der Mail: Man werde mit den aktuellen Einnahmensteigerungen lediglich den „Grundbedarf“ des Verbands decken können. Ein „weiter so“ in finanzieller Hinsicht stehe aktuell nicht zur Debatte. In den kommenden Tagen bis zum ADRT vor dem Litauen-Spiel in knapp drei Wochen sei weniger Schärfe und mehr konstruktiver Dialog von Nöten, so der Tenor des Briefs. Sicherlich auch ein Fingerzeig in Richtung Verfasser des offenen Briefes aus Hamburg, die kommunikativ scheinbar nicht zuerst den internen Weg gegangen waren.
Anschreiben an die DRV-Mitglieder mit detaillierter Darstellung der Finanzlage
Der nächste Schritt dann am gestrigen Nachmittag, in Form eines Schreibens an alle DRV-Mitglieder auf der Verbands-Website, in dem der drastische Sparkurs erstmals im Detail dargestellt und quantifiziert wird. Darin auch die Erklärung, wie der DRV in eine derartige finanzielle Schieflage geraten konnte. Unter anderem wird im Schreiben angeführt: Der Einsatz fast aller zur Verfügung stehenden Mittel mit dem Ziel Qualifikation Rugby World Cup, sowie eine fürstliche Entlohnung des ehemaligen Vorstands Kieran Lees von 12.500€ monatlich, zuzüglich Reisekosten, da Lees seinen Wohnsitz während seiner DRV-Tätigkeit in England behielt.
Eine Zahlungsunfähigkeit wurde zuletzt nur knapp abgewendet und zwar durch einen restriktiven Wirtschaftsplan auf der Ausgabenseite, sowie Spenden und ein Darlehen auf der Einnahmeseite. Doch selbst mit den drastisch gekürzten Ausgaben, welche für jeden ersichtlich in einer Excel-Tabelle angehängt sind, besteht demnach weiterhin eine sechsstellige Deckungslücke, die bisher unter anderem mit Spenden des Heusenstammers Jürgen Zeiger gedeckt worden seien.
Für eine reine Deckung der bereits geminderten Fixkosten des Verbands müsste der Jahresbeitrag für jedes der 16.200 Mitglieder von 8,30€ auf 20€ angehoben werden. Weitere 5€ pro Mitglied würden laut Anschreiben die Kosten für den Nachwuchs, die Frauen und die am 1.1.2020 eingestellte Ausbildung und Entwicklung (u.a. Get into Rugby) finanzieren.
Diskussionsbedarf bis zum ADRT in Heidelberg
Noch 17 Tage verbleiben bis zum außerordentlichen deutschen Rugby-Tag in Heidelberg. Genug Zeit, um den offenen Dialog zu führen, den DRV-Präsident Hees einfordert. Auf dem ADRT wird sich dann zeigen, ob die Basis dem DRV auf seinem eingeschlagenen Weg folgen wird. Eine gangbare Alternative hat bis dato niemand aufgezeigt, auch nicht die Verfasser des HRV-Brandbriefs.
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