Luke Wakefield sorgte für die zwischenzeitliche Führung. Foto (c) Kessler
Die zweite Heimpleite der schwarzen Adler in Folge, kein einziger erzielter Punkt im zweiten Durchgang - es war unter dem Strich eine verdiente Niederlage, die dennoch vermeidbar schien. Aus deutscher Sicht gab es an diesem stürmischen Nachmittag in der Neckarstadt, der die allererste Niederlage überhaupt eine Nationalmannschaft der Schweiz brachte, nicht viel Positives mitzunehmen. Nun muss im abschließenden Heimspiel in drei Wochen ein Sieg gegen Litauen an gleicher Stelle her, so der Tenor im Trainerteam der Adler.
Am Ende der 80 Minuten EM-Rugby auf äußerst tiefem Geläuf jubelte lediglich der lautstarke Block aus gut 60 mitgereisten Eidgenossen am Rand der Gegengerade. Ihre Nati hatte das deutsche Spiel nach dem Pausenpfiff gekonnt im Keim erstickt. Nicht einen einzigen Ausflug in die eidgenössische 22 schafften unsere Adler. Was sich nach der Pause geändert habe, wollten wir von TR von Schweiz-Trainer Olivier Nier in der Pressekonferenz nach dem Spiel wissen - seine Antwort fiel kurz aus: „Der Wind“.
Tatsächlich war der böige Wind im zweiten Durchgang im Rücken der Schweizer und nunmehr deutlich stärker als noch vor der Pause. Das deutsche Team hatte es verpasst mit den besseren Bedingungen im ersten Durchgang eine größere Führung herauszuspielen. Das lag vor allem daran, dass man einen katastrophalen Start hingelegt hatte.
Das Team machte nach dem langen ersten Ankick von Verbinder Daniel Koch viel Druck und schien sich den Ball in der Schweizer 22 gesichert zu haben, indem Lammers und Schröder druckvoll über das Offene wetzten. Doch das georgische Schiri-Gespann sah dies anders und bestrafte das deutsche Team mit einem Straftritt. Es sollten innerhalb weniger Minuten vier weitere folgen, bis zum Abpfiff waren es 15.
Kein Einstand nach Maß für Neu-Trainer Melvine Smith
Das Paket als Achillesferse
Die Folge: Deutschland konnte sich in der Anfangsphase nicht aus der eigenen Hälfte befreien und verpasste obendrein noch mehrere vermeintlich einfache Tackles im Mittelfeld. Die Gäste wussten dies zu nutzen und kamen durch einen Straftritt vom sicher kickenden Neuner Simon Perrod mit 3:0 in Führung. Das zweite große Problem unserer Adler war das schweizerische Paket.
Immer wieder machten die Eidgenossen wertvolle Meter und der deutlich leichtere Adler-Sturm hatte nicht die passende Antwort parat. Der erste Versuch resultierte genau daraus - Flanker Ludovic Peruisset platzierte nach einer Viertelstunde den Ball am Ende des Pakets im Adler-Malfeld. Zu dem Zeitpunkt war Jörn Schröder bereits für zehn Minuten auf die Sünderbank geschickt worden, eben wegen eines Vergehens am Paket.
Beste Phase Ende des ersten Durchgangs
Erst als der Kapitän wieder auf dem Feld war und sich das deutsche Team in den Offenen besser zu Wehr setzen konnte, hatte man das Gefühl, dass das deutsche Team im Spiel war. Als Robert Lehmann dann einen Boxkick des sonst überragenden Schweizer Neuners Perrod blockte und Johannes Schreieck mit dem Leder dynamisch bis ins Malfeld sprintete, wirkte dies wie ein Weckruf für das deutsche Team.
Plötzlich waren die Adler da und bis zur Pause hatten sie ihre beste Phase: Präsenter an den Kontaktpunkten, kraftvoller in den Ballvorträgen und nun auch sicherer in den Standards. Deutschland arbeitete sich bis in die 22 vor und nachdem es mit dem Sturm nicht klappen sollte, bediente Neuner Pierre Mathurin punktgenau den mit viel Dampf aus der Tiefe kommenden zweiten Innen Luke Wakefield, der sich durch drei Tackles bis zum Versuch vorkämpfen sollte.
Deutschland lag erstmals vorne und wäre mit dem Pausenpfiff fast noch zum dritten Versuch gekommen. Felix Lammers konnte den Gäste-Gedrängehalb blocken und war zwei Meter vor dem Malfeld in bester Position Deutschlands Führung auszubauen - doch das Leder versprang dem Düsseldorfer in Diensten des HRK und so ging es beim Stand von 20:16 aus deutscher Sicht in die Pause.
Katastrophale zweite Hälfte
Durchgang zwei war aus deutscher Sicht dann genauso unangenehm anzusehen, wie die zunehmend grimmigeren äußeren Bedingungen sich darstellten. Der Wind nahm stark zu und starker Regen setzte ein, die Fehler des deutschen Teams häuften sich. Mehrere Ankicks direkt ins Aus, immer wieder verpasste Tackles und Bälle, die außerhalb der 22 direkt im Seitenaus landeten. Aus einer solchen Gasse schob die Schweiz ihr zweites Paket ins deutsche Malfeld, Zweite-Reihe-Stürmer Tim Vögtli holte die Punkte und Deutschland lag 20 Minuten vor dem Ende wieder hinten.
In der Folge aus deutscher Sicht keine Besserung, die Wechsel von der Bank brachten keinen richtigen Schwung, im Gegenteil. Die heimischen Adler steckten in der eigenen 22 fest. Eine Befreiung per Kick wollte bei starkem Wind nicht gelingen, die solide in der Linie verteidigenden Schweizer ließen keinen Durchbruch in der Mitte durch. Der ambitionierte Gameplan des deutschen Trainerteams scheiterte auch an den Bedingungen.
Die Schweizer fokussierten sich dagegen auf ihre Basics. Zehner Jules Porcher kickte fleißig in die Ecken, der Sturm machte immer wieder per Paket Meter. Auch der letzte Schweizer Versuch, gute 15 Minuten vor dem Ende, erfolgte per Paket. Beim Stand von 20-33 stand Deutschland mit leeren Händen da. Auch in den letzten Minuten fand das Team kein Rezept gegen den physisch stärkeren und präsenteren Gäste-Sturm Meter zu machen.
Blick nach vorne: Heimsieg gegen Litauen und Abschluss in der Ukraine
Sturmtrainer Alexander Widiker sprach auf der Pressekonferenz nach dem Spiel von seiner eigenen Erfahrung als DRV-XV-Spieler. Auch er war mit dem Team aus der höchsten Rugby-Europe-Spielklasse abgestiegen und auch das Team, das er damals als Kapitän anführte, hatte Probleme sich in der neuen Spielklasse zu finden. Ein Großteil des Adler-Kaders hat nur einige wenige Länderspiele vorzuweisen - die mangelnde Erfahrung ist ein Problem, das sich nur mit mehr Spielen beheben lässt.
Widiker betonte weiter, dass man sich im deutschen Team gegen Litauen in drei Wochen nur mit einem Bonuspunkt-Sieg zufrieden geben werde. Bei hoffentlich besseren Bedingungen will man weiter am expansiven Spielkonzept arbeiten und hoffentlich damit Erfolg haben. Spätestens im Mai in Odessa, wenn es im ukrainischen Schwarzmeer-Urlaubsort auf schnellem Geläuf gegen den Aufsteiger geht, sollte sich dieser einstellen.
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