Saracens haben nicht nur am gestrigen Sonntag gegen Racing kassiert, in der kommenden Saison muss Englands bester Klub in Liga zwei antreten.
Am Freitag waren es noch Gerüchte, seit dem späten Samstag-Abend ist es Gewissheit: Der amtierende Double-Sieger Saracens, das erfolgreichste englische Vereinsteam der letzten Dekade, wird mit dem Zwangsabstieg bestraft, nachdem die Londoner nicht nachweisen konnten, in der laufenden Saison die Gehaltsobergrenze der Premiership einhalten zu können. Für die selbsterklärte beste Rugby-Liga der Welt ist dies eine riesige Blamage und für das englische Nationalteam, bei dem Saracens das größte Kontingent stellen, ein beträchtliches Problem.
Für die BBC ist es schlicht der „größte Skandal aller Zeiten im englischen Rugby“. Wie am Wochenende von der Premiership bestätigt wurde, werden Saracens im Sommer automatisch absteigen. Egal wie der amtierende englische Meister und Europapokalsieger die restlichen Spiele absolviert - die vorausgegangene Strafe von 35 Punkten Abzug ist damit obsolet.
Dabei, so die BBC, handelt es sich im Fall Saracens nicht nur um finanzielles Missmanagement, sondern schlicht und ergreifend um jahrelangen systematischen Betrug. Diese unlautere Vorteilsnahme habe entscheidenden Einfluss auf die großen Erfolge der letzten Jahre gehabt: Vier Meisterschaften und drei Champions-Cup-Siege allein in der letzten Dekade.
Saracens hatten die Gehaltsobergrenze der Liga seit 2015 Jahr für Jahr umgangen und seinen Spielern über unterschiedliche Kanäle und unter Täuschung des Ligaverbandes Millionen mehr gezahlt, als erlaubt. Diese Vorteilsnahme hat dem Londoner Klub nun den Platz in der ersten Liga gekostet. Tony Rowe, Präsident des größten Saracens-Rivalen der letzten Jahre, Exeter Chiefs, beschrieb die Umstände der Entscheidung am Wochenende so: „Sie hatten die Wahl, entweder ihre Bücher offenzulegen und alles zu gestehen, oder abzusteigen - sie haben sich für letzteres entschieden.“
Gerade die Tatsache, dass Saracens trotz des drohenden Abstieges und auf Druck des Ligaverbandes keine unabhängigen Buchprüfer ihre Finanzgebaren analysieren hat lassen, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack und lässt die offizielle Entschuldigung der Klub-Offiziellen fragwürdig wirken. Das gesamte Ausmaß des Finanzskandals dürfte damit wohl nie an die Öffentlichkeit gelangen.
Was aber ebenso klar ist: Nicht nur der Klub selbst, sondern die gesamte Liga und ihr Image haben erheblichen Schaden genommen. Allein die Tatsache, dass Teams nun gegen die bereits als Absteiger feststehenden Sarries spielen werden, anstatt wie andere Teams gegen ein Saracens-Team, das mit dem Messer zwischen den Zähnen gegen diesen spielt, ist eine klare Wettbewerbsverzerrung. Dazu kratzt der Skandal am Saubermann-Image des Rugbysports in England, der sich gerne vom Fußball mit seinem korrupten Weltverband FIFA abheben will.
Die Frage lautet nun: Wohin mit den Saracens-Stars?
Northamptons Trainer Chris Boyd ließ schon einmal öffentlich verlauten, dass niemand in der Premiership den Saracens-Stars irgendwelche Reichtümer anbieten könne. Aus zweierlei Gründen: Zum einen haben die meisten Teams ihre Budgetplanung für die kommende Saison schon weitestgehend abgeschlossen und deshalb keinen Platz mehr im Budget unterhalb der kollektiven Gehaltsobergrenze. „Wir können nicht Mal ebenso einem Spieler 500.000 Pfund anbieten“, so Boyd gegenüber dem Northampton Chronicle. Zum anderen seien viele Klubs nicht bereit, derartige Summen wie Saracens zu zahlen.
In der vom Niveau her deutlich abfallenden Championship zu spielen, dürfte zumindest für die ganz großen Namen bei den Saracens kein Thema sein. Auf der anderen Seite des Ärmelkanals wiederum ist man aber durchaus bereit die Saracens-Gehälter zu zahlen. Frankreichs Top 14 hat eine sowieso schon höhere kollektive Gehaltsobergrenzen per Klub. Laut der in Großbritannien täglich erscheinenden Zeitung „the Rugby Paper“ sei Top-14-Tabellenführer Lyon bereit, mit Owen Farrell, Maro Itoje und Billy Vunipola gleich drei England-Stars und Großverdiener abzunehmen.
Sollte Lyon, oder ein anderer Klub in Frankreich, wirklich alle drei England-Stars abnehmen, würde das England-Trainer Eddie Jones einiges an Kopfzerbrechen bereiten. Denn auch in England gilt grundsätzlich die selbst auferlegte Regel: Nur wer in der Premiership spielt, darf auch für England auflaufen. Zuletzt hatte man bei Johnny Wilkinson vor fast zehn Jahren eine Ausnahme gemacht, als der damalige England-Verbinder bei Toulon unter Vertrag war.
Für andere Stars wie Steffon Armitage und Chris Ashton wurde dagegen, trotz ausgezeichneter Leistungen beider in Frankreich, keine Ausnahme gemacht. Denn dabei geht es dem englischen Verband nicht nur darum, die eigene Liga zu stärken. Mit den Premiership-Klubs gibt es eine Vereinbarung, laut der die Spieler des Vizeweltmeisters nur eine gewisse Anzahl an Spielminuten für Klub und Nationalmannschaft absolvieren dürfen, sowie für Trainingscamps und Länderspiele außerhalb der offiziellen Fenster abgestellt werden. All dies wäre nichtig, sofern besagte Spieler in Frankreich unter Vertrag stünden.
Genauso kompliziert dürfte es für Jones und England werden, wenn einige England-Stars in London blieben. Denn der Terminplan der Championship ist noch weniger auf das internationale Programm der englischen Nationalmannschaft abgestimmt. Zumindest für Saracens internationalen Stars sollte es schnell Abnehmer geben. Der Zweite-Reihe-Riese Will Skelton soll bereits ein Angebot aus der Heimat vorliegen haben - ähnliches dürfte für Stars wie den argentinischen Prop Juan Figallo, oder den Springboks-Weltmeister Vincent Koch gelten. So oder so, der Skandal um Englands einstigen Vorzeigeklub wird den Rugbysport im Mutterland noch eine Weile beschäftigen.
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