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Milliardenschwerer Geldsegen für die Six-Nations-Verbände: Was bedeutet das fürs Welt-Rugby?
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 14. Januar 2020

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Die Six Nations sind das beliebteste Rugby-Turnier außerhalb der WM: Nun wollen die Verbände daraus massiv Kapital schlagen.

Nur noch knapp drei Wochen, dann starten die Six Nations in die 126. Ausgabe ihrer langen Geschichte. Dann heißt es wieder: Volle Arenen und Millionen begeisterte Fans an den Bildschirmen - das Turnier ist das Kronjuwel im Welt-Rugby und wird bei weitem nicht nur von den Rugby-Fans der Teilnehmerländer geliebt. Die involvierten Verbände wollen nun mit ihrem Kronjuwel für einen ordentlichen Geldregen sorgen: Allein der Verkauf von 30% der Anteile am Gemeinschaftsunternehmen wird Medienberichten zufolge eine halbe Milliarde Pfund einbringen. Dazu soll der nächste TV-Vertrag um die 150 Millionen Pfund pro Jahr in die Kassen spülen. Wir von TR analysieren, was das für die Fans und das Welt-Rugby bedeuten könnte und wo die Risiken liegen.

Wie die in England erscheinende Rugby-Tageszeitung „The Rugby Paper“ erläutert, planen die Six-Nations-Teilnehmer ihre TV-Rechte nach dem Auslaufen der aktuellen Rechteperiode im kommenden Jahr künftig gemeinsam zu vermarkten und zu veräußern, um die potenziellen Fernseh-Einnahmen zu maximieren. Dabei geht es jedoch nicht nur um die fünf alljährlichen Runden der Six Nations, sondern auch um die anderen beiden Länderspielfenster im Sommer und Herbst.

Einnahmen von etwa 750 Millionen Pfund über fünf Jahre werden von den sechs Verbänden anvisiert, was einer Steigerung von gut 50% im Vergleich zu den jetzigen TV-Deals entsprechen würde. Nachdem sich in Großbritannien aktuell mit der BBC und ITV (größter Privatsender Großbritanniens) zwei Free-TV-Sender die Rechte teilen, droht den Fans dort nun, dass das älteste Rugby-Turnier der Welt hinter der Pay-TV-Schranke verschwindet. Denn ob die BBC dem Steuerzahler in Großbritannien eine Steigerung ihrer Ausgaben für die TV-Rechte von 50% vermitteln kann, ist fraglich.

Um die Rechte an den November-Länderspielen lukrativer zu machen, werden in Dublin bei der Six Nations Ltd. (entspricht einer GmbH) nun verschiedene Szenarien durchgespielt. Dabei wird aktuell auch erwogen, den Herbst zu nutzen, um eine Art Rückrunde der Six-Nations-Spiele im Frühjahr auszuspielen. Das wäre eine Revolution, würden den Charakter des Turniers aber extrem verändern, denn in ihrer gesamten Geschichte wurden die Six Nations und ihre Vorgänger-Turniere ohne Rückspiele ausgetragen. Gerade diese vermeintliche Verknappung macht die Spiele derart bedeutend und besonders.

Anteilsverkauf füllt die Kassen wohl schon in diesem Jahr

Ein weiterer Geldsegen für die sechs Verbände zeichnet sich derweil schon seit Wochen ab. CVC Capital Partners, ein Private Equity Investment-Unternehmen, ist laut übereinstimmender Medienberichte bereit 30% des Gemeinschaftsunternehmens Six Nations Rugby Limited für 500 Millionen Pfund (aktuell etwa 581 Millionen €) zu erwerben - die Verbände tendieren aktuell stark dazu dieses Angebot anzunehmen. Fragen nach der Verteilung der Gelder sind aber aktuell noch zu klären. Im Gegensatz zu den höheren erwarteten TV-Einnahmen, die über den künftigen Rechtezeitraum von fünf Jahren ausgezahlt würden, käme dieser Geldsegen sofort bei den Verbänden an.  

Die Firma CVC, die Anteile an einer ganzen Bandbreite von Unternehmen von der Parfümerie-Kette Douglas, über den Uhrenhersteller Breitling, bis hin zum Wettunternehmen Tipico hält, ist im Rugby-Geschäft kein Unbekannter. In den letzten 13 Monaten hat sich das Finanzunternehmen Anteile an der englischen Premiership und der Pro 14 gesichert. Ob sich CVC mit Anteilen an künftigen Gewinnen zufrieden geben wird und, wie erhofft, als Vermittler für Sponsor-Deals fungieren kann, bleibt fraglich. Denn als Anteilseigner wird das in Luxemburg registrierte Unternehmen sicherlich auch auf die Entscheidungsfindung Einfluss nehmen wollen.

Hierbei könnte CVC auch eine konstruktive Rolle spielen, wenn es darum geht, die unübersichtliche Struktur im europäischen Rugby und die parallel laufende Wettbewerbe zu entflechten. In erster Linie jedoch wird man bei CVC an der Maximierung des Investment-Werts interessiert sein. Sportliche Gesichtspunkte und die Entwicklung des Rugby-Sports werden hierbei, zumindest aus Sicht von CVC, keinerlei Relevanz haben. Für die Georgier beispielsweise, die seit Jahren von einer Aufnahme in den Six-Nations-Wettbewerb träumen, ist der Einstieg von CVC somit sicherlich keine gute Nachricht.

Das kleine und relative arme Kaukasus-Land rangiert in Sachen Jahreswirtschaftsleistung irgendwo zwischen Malta und Zypern und dürfe die Phantasie der CVC-Bänker nicht sonderlich befeuern. Das kommerzielle Potenzial Georgiens ist nämlich überschaubar. Als absolut Rugby-verrücktes Land gönnen viele Rugby-Romantiker den Lelos eine Chance und sicherlich wären die Georgier sportlich eine Bereicherung, doch das dürfte nun in weite Ferne rücken.  

Die anstehenden Deals könnten indes auch eine Erklärung für den erbitterten Widerstand gegen World Rugbys Weltliga-Pläne sein (TR berichtete). Denn in einer derartigen Welt-Liga wäre der Einfluss der sowieso bereits finanziell gut ausgestatteten Six-Nations-Länder auf die Mittelverteilung begrenzt gewesen. Im Gegenteil, die großen Verbände Europas hätten wohl zu Gunsten kleinerer Verbände monetäre Abstriche machen müssen. 

Die Folgen: Finanzielle Lücke zwischen Nord- und Südhemisphäre dürfte weiter wachsen

Welche Konsequenzen dies für das Machtverhältnis zwischen Nord- und Südhemisphäre haben dürfte, scheint klar. England als bereits reichster Verband weltweit mit Umsätzen von rund 250 Millionen Euro zuletzt, was deutlich mehr als dem Doppelten dessen entspricht, was Neuseelands Verband jährlich an Einnahmen verbucht, dürfte in einer noch komfortableren Situation sein.

Auch wenn diese Gelder nur indirekt bei Vereinen der Premiership landen werden, wird doch die Nordhemisphäre für Topspieler aus dem Süden wohl finanziell noch lukrativer werden. Für die All Blacks, Wallabies, Argentinien und nicht zuletzt Weltmeister Südafrika dürften das schlechte Nachrichten sein. Zudem dürfte die englische Nationalmannschaft, die ihren Spielern bereits jetzt eine Auflaufprämie von 25.000 Pfund pro Spiel zahlt, für Neuseeländer, Südafrikaner und Australier englischer Abstammung, noch attraktiver werden.

Die Fans im Mutterland selbst könnten dagegen künftig in die sprichwörtliche Röhre schauen. Zumindest wenn es um das berühmteste Rugby-Turnier abgesehen von der WM geht. Denn sollte der Pay-TV-Anbieter Sky beispielsweise künftig die Six Nations exklusiv zeigen, müsste man als Rugby-Fan in Großbritannien mindestens 50 Pfund pro Monat zahlen. Denn die Pay-TV-Preise auf der Insel liegen noch Mal deutlich über dem Niveau hierzulande.

Könnte der kurzfristige Geldregen langfristig negative Folgen haben?

Doch Vorsicht sollte bei den Entscheidern dennoch geboten sein. Als mahnendes Beispiel wird von Kritikern dieser Entwicklung stets der in England ebenfalls sehr beliebte Cricket-Sport herangezogen. Mitte der 2000er-Jahre, zu Cricket-Boomzeiten, schalteten regelmäßig bis zu 10 Million Zuschauer im TV ein, wenn England es mit dem Erzrivalen Australien aufnahm.

Der Cricket-Verband sah damals die Chance aus dieser Popularität massiv Kapital zu schlagen: Ein millionenschwerer TV-Deal mit dem Pay-TV-Sender Sky sorgte dafür, dass der Sport gänzlich aus dem Free TV verschwand - selbst die Weltmeisterschaft ist im anderen Gentleman-Sport in Großbritannien nicht umsonst zu sehen (mit der Ausnahme des Finales, aber nur im Falle einer englischen Teilnahme).

Die Folge: Die durchschnittliche Zuschauerzahl bei den Spielen der Nationalmannschaft sank um über 80% und nach und nach nahm dadurch auch die Zahl der aktiven Cricket-Spieler im Land signifikant ab. Während Englands Cricket-Nationalmannschaft nach einer tollen WM 2019 noch immer sehr beliebt ist, stirbt das Vereins- und County-Spiel zusehends einen langsamen Tod. Auch dem Rugby könnte ein ähnliches Schicksal als reicher Nischensport, den immer weniger betreiben, drohen.

Dazu hat sich die Six Nations Rugby Limited, die von den sechs Teilnehmerverbänden gegründete Firma, die die Six Nations als Turnier organisiert, vor nicht allzu langer Zeit selbst höchst öffentlich verzockt. Nach 14 Jahren Sponsoring durch die Royal Bank of Scotland, die als Namenssponsor für das Turnier fungierte, stand vor zwei Jahren eine Verlängerung des Vertrages an. Die RBS bot eine leichte Erhöhung auf 14 Millionen Pfund jährlich für die Rechte - wohl auf Initiative von Wales und Schottland, die den Wert deutlich höher taxierten, lehnte man in Dublin dankend ab.

Doch das sollte sich als folgenschwerer Fehler herausstellen. Monatelang wurden Gespräche mit Dutzenden potenziellen Sponsoren gehalten, ohne dass dabei ein Angebot in ähnlicher Höhe herauskam. Die RBS senkte ihr Angebot auf neun Millionen Pfund, wieder lehnte man dankend ab. Nur um dann kurz vor Turnierbeginn letztes Jahr einen Vertrag mit Guiness zu unterschreiben - für zunächst sechs Millionen Pfund, also nicht einmal halb so viel, wie die RBS zunächst angeboten hatte. Wohl auch deswegen sehen sich die Verbände nun gezwungen Anteile und damit künftige Einnahmen kurzfristig zu verkaufen.

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