Deutschlands Gegner Niederlande: Stetiges Wachstum mit einheimischen Talenten
Geschrieben von TotalRugby Team
Dienstag, 19. November 2019
41 Mal trafen die Nationalmannschaften der Niederlande und Deutschlands bisher in ihrer Geschichte aufeinander. Samstag folgt Spiel Nummer 42.
Am Samstag treffen unsere schwarzen Adler in Heidelberg (Ankick 14:30 im Fritz-Grunebaum-Sportpark; Livestream auf TR) zum 42. Duell ihrer Geschichte auf die Niederlande. Während die Bilanz insgesamt für das deutsche Team spricht, hat das holländische Rugby in den letzten Jahren doch einige Fortschritte gemacht. Wir blicken auf den kommenden Gegner der DRV-Auswahl und den Rugbysport in den Niederlanden insgesamt.
Auf den ersten Blick haben die Niederlande und Deutschland als Rugby-Nationen sehr ähnliche Vorraussetzungen. Beide Länder haben zwar eine lange Tradition im ovalen Ballsport, jedoch steht er jeweils im Schatten des alles überschattenden Fußballs. Weder die Oranje XV, noch die schwarzen Adler haben es bisher bis zur Qualifikation für eine Rugby-Weltmeisterschaft gebracht - beide Teams liegen in der aktuellen Weltrangliste von World Rugby nur einen einzigen Platz auseinander, wobei die Niederländer aktuell als Nummer 26 der Welt ganz knapp die Nase vorn haben. 2017 begrüßte der niederländische Verband offiziell sein fünfzehntausendstes Mitglied und bewegt sich damit auf einem ähnlichen Niveau, wie der DRV.
Dabei sind die Aktiven im Nachbarland aber auf lediglich rund 80 Klubs verteilt und aufgrund der Größe des Landes geografisch viel stärker konzentriert. Selbst aus dem fernsten Winkel der Niederlande sind es nicht viel mehr als zwei Stunden Auto- oder Zugfahrt zum nationalen Rugby-Leistungszentrum der Niederlande in Amsterdam - dieses bietet dem Verband mit dem NRCA Rugby-Stadion, in dem jährlich auch die Amsterdam 7s ausgetragen werden, sowie weiteren Trainingseinrichtungen, alles was ein Verband dieser Größe benötigt. Dort versammelt der neue Coach Zane Gardiner regelmäßig die vielversprechendsten Talente des Landes. Schon Gardiners Ernennung spricht bereits für den Weg, den man in den Niederlanden zu gehen gewillt ist.
Statt einen vermeintlich großen internationalen Namen zu verpflichten, wurde der im Sommer dieses Jahres Gardiner vom Cheftrainer-Posten des Ereklasse-Teams RC 't Gooi weggelotst, mit dem er 2018 den Gewinn der niederländische Meisterschaft feiern konnte. Als ehemaliger U-20 Trainer des Landes kennt er sich bestens mit den Gegebenheiten im Verband aus. Ebenso verhält es sich mit dem Team, auf das Gardiner setzt - fast ausnahmslos besteht der Kader aus Akteuren, die ihr Vereinsrugby in der ersten Liga Ereklasse spielen.
So konnte das Team in den letzten Jahren kontinuierlich wachsen - in der Vorsaison der Rugby Europe Trophy sollte es nach einer 5-18 Niederlage daheim gegen den späteren Aufsteiger Portugal lediglich zu Platz zwei in der Endabrechnung der Rugby Europe Trophy reichen. Vor 7.000 Zuschauern im NCRA Stadion gelang den Oranje im Frühjahr dieses Jahres nur ein ganz später Versuch, nachdem Portugal die holländische Offensive zuvor über 80 Minuten weitestgehend neutralisiert hatte. Gerade Hollands schwere Jungs mit der eins bis fünf auf dem Rücken, vor denen das deutsche Trainerteam gegenüber TR dieser Tage explizit gewarnt hatte, konnten gegen Portugal nicht viel ausrichten.
Gegen Portugal chancenlos: Der spätere Aufsteiger siegte vor sechs Monaten souverän in Amsterdam
In die neue Trophy-Saison konnte das Team mit viel Schwung starten. Aufsteiger Ukraine hatte vor 2,5 Wochen in Amsterdam lediglich zu Beginn der Partie wirklich etwas entgegenzusetzen und führte nach einem frühen Versuch von Andriy Shakura, der aus einem überraschenden Boxkick in der 22 resultierte, und einem Straftritt bis zur 20-Minuten-Marke mit 8-3. Doch in einer furiosen zweiten Hälfte überragten die Niederländer die überforderten Ukrainer förmlich und gewannen am Ende hochverdient mit 64-8 - es war auch ein Warnschuss an den Rest der Rugby Europe Trophy und allen voran das deutsche Team.
Den EM-Auftakt gegen die Ukraine hätten die Niederländer kaum souveräner gestalten können
Der wohl größte Name im niederländischen Rugby lautet Visser. Wobei von den beiden Visser-Brüdern, die Söhne des Rekordnationalspielers der Niederlande Marc Visser sind, nur einer im berühmten Oranje aufläuft. Sep Visser zählte Anfang November in Amsterdam zu den Tryscorern gegen die Ukraine dürfte auch an diesem Wochenende in Heidelberg als Innen oder Außen auflaufen. Sein älterer Bruder Tim allerdings hatte es als Außendreiviertel zu größeren Weihen geschafft.
Nach einem frühen Internatsaufenthalt in Schottland und einer Profi-Karriere bei Edinburgh, Newcastle und den Harlequins wurde Visser zum besten holländischen Spieler jemals - jedoch in den Farben Schottlands. Visser, der letztes Jahr im Alter von 31 Jahren seine Karriere verletzungsbedingt beenedete, brachte es auf 33 Spiele und 14 Versuche für die Bravehearts. Wer weiß, vielleicht ist die Legende des holländischen Rugbys am Samstag ja in Heidelberg ebenso unter den Gästen. Mit seinen 1,95 m Körpergröße dürfte der einstige Winger im Wohnzimmer nicht zu übersehen sein.