Nach vier Wochen im Amt wendet sich Harald Hees an die deutsche Rugby-Gemeinschaft.
Liebe Rugbyfreund*innen,
Der Wunsch nach Transparenz ist berechtigt, wenn man an einer Sache interessiert ist und in diese Zeit und Energie investiert. Nach vier Wochen im Amt, auf diesem Weg ein erster Zwischenbericht: Ich wurde für den ersten Brief kritisiert, als ich von drohender Insolvenz sprach. Man wird mich wieder kritisieren, wenn ich sage, wie es ist. Aber: „Der Wert eines Menschen richtet sich nach dem Maß an Wirklichkeit, das er bereit ist zu akzeptieren“. (Nietzsche).
Ich würde gerne positiv berichten, was bei der Leistung der Teams, Trainer*innen und Ehrenamtlichen nicht schwer fiele. Aber die Wirklichkeit der vorgefundenen finanziellen Lage ist erdrückend.
Doch der Optimismus bleibt!
Nach Jahren der Millionen und einem Jahr der versprochenen Millionen, ist der Zustand im nicht olympischen Bereich desolat. Die aus öffentlicher Hand geförderte 7er-Variante mit ihren geforderten Strukturen floriert und zeigt erste Erfolge, der Rest kommt nur schwer in die Selbstheilung und ohne Jürgen Zeiger wäre der Verband seit Jahren nicht mehr existent.
Man spricht über Rugby in Deutschland gerne vom schlafenden Riesen. Es wird Zeit, dass wir ihn aufwecken und ein Ruck (englisch) durch Deutschland geht. Wieso verharren wir verzagt in der Erwartung der Geldgeber und in Hoffnung auf den Märchenprinzen, ohne uns unseres eigenen Potenzials bewusst zu werden?
Unser Sport bietet so viele Sinnbilder gemeinsamer Anstrengungen: Gedränge, Liften in der Gasse, das Maul (englisch), die Unterstützung des Ballträgers und ist in diesem Sinne der eigentlichste Mannschaftssport. Wenn wir unseren Sport so lieben und bei jedem Spiel feuchte Augen bekommen, sollte es auch möglich sein, den Riesen auf die Beine zu stellen.
Wir sind Exportweltmeister. Noch nie ging es einem Volk so lange so gut. Noch nie wurde so viel an Nachkommen vererbt. Unsere Autos kosten beinahe so viel, wie vor einigen Jahren ein Reihenhaus. Unseren Fahrräder so viel, wie vor einigen Jahren ein Auto. Geldansparung wird bestraft, und die Barvermögen schmelzen wie Schnee in der Sonne. Und der Verband, der die Sportart vertritt, die wir so lieben, lebt unter Sanktionsandrohungen von den Zuwendungen übergeordneter internationaler Rugby-Verbände.
Macht euch das nichts? Das ist doch schon beinahe eine Frage des Stolzes! Wie wäre es, wenn wir dadurch auf uns aufmerksam machen würden, dass wir uns unserer Selbstheilungskräfte bewusst würden, „das Krankenbett verließen und gesund einhergingen“?
Gäbe jeder jährlich ein Promille seines Vermögens, so hätten wir jährlich ca. 1,5 Millionen und es ginge noch nicht einmal auf Kosten des kirchlichen Zehnten. Warum sollten Milliardäre ein Promille geben, wenn wir nicht dazu bereit sind? Warum sollte uns jemand sponsern, wenn wir selbst keine müde Mark investieren würden? Von unseren kläglichen Beiträgen kann ein Verband dieser Größe und dieser Zielsetzung nicht überleben.
HIER gibt es den offiziellen Info-Flyer des DRV zum Club der 100 und Club der 1000!
Wenn wir es schaffen, möglichst spektakulär, vielleicht sogar medienwirksam, eine Anschubfinanzierung für einige Jahre anzuregen, werden wir auch wieder für Geldgeber, vielleicht sogar Investoren, attraktiver. Die Jugend könnte angebotene Wettbewerbe wahrnehmen, die Entwicklung des Frauenrugbys könnte besser gefördert, der Trainerbereich professionalisiert und geeignete Spieler aus dem Ausland unter Vertrag genommen werden -und in acht Jahren spielen wir Six Nations.
Vor Jahren wurde der Club der Hundert gegründet. Ich möchte diesen mit eurer Hilfe wieder aufleben lassen und dazu noch einen Club der Tausend etablieren: Wir suchen 100 Geldgeber, welche bereit sind, jährlich 1000 Euro zu geben und 1000 Geldgeber, welche jährlich 100 Euro zur Verfügung stellen. Und mit Geldgeber meine ich uns.
Das neue Präsidium verspricht, dass das Geld dort ankommt, wo die einzelnen Teams direkt davon profitieren, und dass wahnwitzige Ausgaben, wie in der Vergangenheit geschehen, nicht mehr stattfinden. (etwa 5000 Euro für eine Woche Trainertätigkeit, 12.500 Euro Monatsgehalt für einen Vorstandsposten, Mobiltelefonrechnung 1200 Euro). Wir werden den Erfolg der Aktion öffentlich dokumentieren.
Ich bin der Meinung, wir haben allen unseren Vorgängern gegenüber, allen im Moment als Trainer*innen, Schiedsrichter*innen oder Spieler*innen Aktiven gegenüber und den nachfolgenden Generationen gegenüber eine historische Verpflichtung.
Es ist mir bewusst, dass das nicht der gängige Stil ist, mit dem sich Präsidenten in der Öffentlichkeit äußern. Aber ich habe vollstes Vertrauen auf eure Nachsicht und eure Begeisterungsfähigkeit. Wir sind Rugby-Deutschland, und wir wollen in absehbarer Zeit zu recht Stolz darauf sein!
Herzlichst,
Harald Hees
Präsident des Deutschen Rugby-Verbandes
DRV-Spendenkonto: Deutsche Bank Heidelberg, IBAN: DE10 6727 0003 0140 1900 00, BIC/SWIFT-Code: DEUTDESM672
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