Stade Français schlittert tief in die Krise: „Der endlose Sturz ins Bodenlose“
Geschrieben von TotalRugby Team
Montag, 11. November 2019
Platz eins in der Budget-Tabelle, der letzte Rang in der sportlichen Tabelle. Bei Stade Français läuft aktuell wenig zusammen.
Der Pariser Glamour-Klub schlittert tiefer und tiefer in die Krise. Nachdem bereits in der ersten Spielzeit unter dem deutschen Besitzer Hans-Peter Wild der Abstieg nur mit viel Fortune vermieden werden konnte und der Klub in der Vorsaison im grauen Mittelfeld verharrte, steht Stade aktuell nach acht Spieltagen aktuell abgeschlagen auf dem allerletzten Platz der Top 14 - und das wohlgemerkt mit dem allerhöchsten Budget der gesamten Liga. Die Fans der Soldats Roses werden so langsam ungeduldig - nicht nur die sportliche Misere, sondern auch die Art und Weise, wie der Klub geführt wird, bereitet den Anhängern des Hauptstadt-Klubs große Sorgen. Der Zorn richtet sich vermehrt gegen den Eppelheimer Besitzer des Vereins. Frankreichs führende Qualitäts-Zeitung Le Figaro titelte gestern: „Der endlose Sturz ins Bodenlose“
Wohl selten klafften Anspruch und Wirklichkeit bei einem europäischen Topklub weiter auseinander. Stade Français ist seit der Übernahme durch den ehemaligen Mäzen des deutschen Rugbys, Hans-Peter Wild, zwar auf Platz eins der Budget-Tabelle in der Top 14 geschossen und gibt mit der Unterstützung des Softdrink-Milliardärs pro Saison über 40 Millionen Euro aus, weit mehr als alle anderen Clubs der reichsten Rugby-Liga der Welt. Gleichwohl liegt Stade nach gut einem Drittel der Saison aber abgeschlagen am Ende der Tabelle, sieben Zähler hinter Agen, die nicht einmal ein Drittel des Stade-Budgets zur Verfügung haben. Dazu unterlag der Meister von 2015 am Wochenende im Derby gegen die ebenso in Schwierigkeiten steckenden Nachbarn Racing sang- und klanglos mit 9-25 daheim.
Zuschauer stimmen mit den Füßen ab
Die Zuschauer stimmen derweil mit den Füßen ab. Nur gut 13.000 Fans kamen zum großen Derby gegen Racing 92 - mehr als in allen bisherigen Stade-Heimspielen der Saison im Stade Jean-Bouin, aber für das vermeintlich größte Spiel der Saison ein absoluter Negativ-Rekord, bei dem ein gutes Drittel der Sitze des Stadions leer blieben. Neben dem wenig aufregenden Spielstil unter Trainer Heyneke Meyer - Stade hat die wenigsten Versuche und Punkte der Liga auf dem Konto, aber dafür die mit Abstand schlechteste Defensive - ist der Anhang der Soldats Roses mit vielen anderen Entwicklungen im Klub äußerst unzufrieden, nachdem die Hoffnung einst groß war, dass man unter der Führung des Eppelheimer Besitzers an alte Erfolge anknüpfen könne.
Vorläufiger Tiefpunkt bei Stade - die Derbyschlappe, durch die der Abstand zum rettenden Ufer weiter steigt
Im Sommer hatte der Traditionsklubs die Vereinslegende Sergio Parisse trotz noch gültigen Vertrages geradezu vom Hof gejagt. Denn mit den zahlreichen Star-Einkäufen, die seit der Übernahme des Klubs durch seinen jetzigen Besitzer getätigt wurden, hatte der Verein übereinstimmenden Medien-Berichten zufolge große Schwierigkeiten unter der Gehaltsobergrenze (Salary Cap) zu bleiben, die in Frankreich sowieso schon die höchste weltweit ist. Parisse jedoch bleibt somit einiges an Chaos erspart - der legendäre Achter spielt jetzt mit Toulon um die Playoff-Plätze und nicht mit Stade im Abstiegskampf.
Schon DRV-XV-Legende Robert Mohr war im Vorjahr gemeinsam mit einer anderen Vereinslegende, Julien Dupuy, einer der berüchtigten Personal-Rochaden Wilds zum Opfer gefallen. Beide hatten sich auf die Seite einer Reihe von Spielern um Jules Plisson, Djibril Camara und Alexandre Flanquart gestellt, die den Einfluss von Coach Meyer, sowie dessen Spielweise mit einem großen südafrikanischen Spielerkontingent kritisierten. Klub-Urgestein Djibril Camara hatte nach 13 Jahren schließlich im Sommer den Hut genommen, nicht ohne die Art und Weise, wie im Club mit verdienten Größen umgegangen werde, zu kritisieren.
Wild macht sich selbst zum Vereinspräsidenten
Die Tatsache, dass Wild dann Vereinspräsident Hubert Patricot im September feuerte und sich stattdessen selbst in Amt und Würden hievte, rückte ihn noch mehr in die Öffentlichkeit der Hauptstadt-Presse. Sodass sich Wild, der mittlerweile seit mehr als zwei Jahren Besitzer des Klubs ist, mehr und mehr für die verheerende sportliche Bilanz gegenüber der Anhängerschaft rechtfertigen muss. Wild hatte nach seinem Abschied von Rugby-Deutschland und seiner hiesigen Förder-Tätigkeit in einem FAZ-Interview noch das „tiefste Amateurtum“ in Deutschland gegenüber der Professionalität bei seinem Klub Stade kritisiert - mittlerweile sind jedoch die meisten damals handelnden Personen in Paris vom mittlerweile im Schweizer Niedrigsteuer-Kanton Zug residierenden Eppelheimer ausgetauscht worden. Dazu kamen und gingen gutbezahlte Größen wie der Ire Paul O'Connel, dessen Zeit als Sturmtrainer der Soldats Roses ebenso überraschend endete, wie sie begann.
Noch vor der saftigen Derbyniederlage gegen Racing ließ Wild verkünden: „Paris könnte absteigen? Scherzen Sie? Niemals, niemals.“ Nunmehr wird in Frankreich die Rolle von Coach Heineke Meyer und dessen Zukunft diskutiert. Der in Paris mittlerweile bei den Fans äußerst kontroverse deutsche Soft-Drink-Milliardär Wild hält zwar bisher an Coach Meyer fest, und betont „der Coach ist der Coach, Punkt.“ Gleichzeitig ließ Wild aber im Gespräch mit den französischen Hauptstadt-Medien kaum ein gutes Haar am ehemaligen Springboks-Coach. Meyer sei kein guter Kommunikator, nicht Mal auf Englisch. Während Thomas Tuchel, Trainer vom direkten Stade-Nachbarn Paris Saint Germain, innerhalb weniger Wochen französisch gelernt habe, werde Meyer es wohl nie lernen. Selbst er selbst bräuchte manchmal einen Übersetzer, da Meyer einen dermaßen starken Akzent habe.
Wie es mit Stade weitergeht, wird man absehen müssen. Mit Nicolas Sanchez war der große Star-Einkauf von Stade gegen Racing bereits als Verbinder aufgelaufen, ohne dabei sonderlich zu glänzen. Nach den anfänglichen Pleiten im September hatte man in Paris noch insistiert, dass man nach der Rückkehr der WM-Spieler besser dastehen werde. Das ist bisher jedenfalls nicht geschehen. Verbinder Morne Steyn, der den Verein bald verlassen wird, macht die schlechte Atmosphäre im Verein für die Misere verantwortlich. Le Parisien spekuliert, dass Coach Meyer von der Mannschaft nicht mehr für voll genommen werde. Der erfahrene Zweite-Reihe-Stürmer Maestri hatte seinem Trainer im Interview nach dem Spiel vehement wiedersprochen. Dieser hatte mehr harte Arbeit gefordert, während Maestri eine dringende Kursänderung einforderte. Ein Abstieg von Stade, als reichster Klub der Top 14 jedenfalls, wäre in jeglicher Hinsicht rekordverdächtig. Der französischen Liga würde ein absoluter Traditionsverein fehlen.
Update 12. November 22:00: Stade Français gab am Abend bekannt, dass Heyneke Meyer um eine Vertragsauflösung gebeten habe und dieser Bitte nachgekommen worden sei. Noch nach der Derbyniederlage hatte Stade-Präsident Wild ihm eine Job-Garantie ausgesprochen. Ein Nachfolger steht noch nicht fest.