TR-News international: Monster-Strafe für Saracens, SBW&Tuilagi nach Toronto, Japan in die 6 Nations
Geschrieben von TotalRugby Team
Mittwoch, 6. November 2019
Englands Kapitän Owen Farrell steht im Zentrum des Gehaltskandals bei Englands Meister Saracens. Foto (c) Perlich
Die Nachrichten im Welt-Rugby überschlagen sich gerade, so kurz nach der WM. Wir haben für euch die wichtigsten News zusammengefasst - vom Gehaltskandal in England, über den neuen bestbezahlten Vereinsspieler der Welt, sowie Japans Chance auf die Six Nations.
Double-Sieger Saracens steckt nach Monster-Strafe mitten im Abstiegs-Kampf
Es ist der wohl größte Skandal in der europäischen Vereinsrugby seit Bloodgate vor genau zehn Jahren. Damals hatten sich Harlequins im Heineken-Cup-Viertelfinale gegen Leinster einen unlauteren Vorteil verschafft, indem einem Spieler eine Kapsel mit Filmblut verabreicht wurde, um eine Auswechslung über die Blut-Regelung rückgängig machen zu können und Kicker Nick Evans in der Schlussphase zurück aufs Feld zu bekommen. Der Versuch scheiterte, flog auf und kostete den Klub 260.000 Pfund, sowie einen Punktabzug und sorgte für einen riesigen Reputationsschaden beim Londoner Traditionsklub - dazu brachte er den involvierten Spielern monatelange Sperren und dem damaligen Coach Dean Richards eine zweijährige Sperre ein.
Wohl noch eine Nummer größer ist der Skandal um den amtierenden englischen Meister und Europacupsieger Saracens. Der Vorzeigeklub aus Nord-London war in sechs der letzten neun Premiership-Endspielen und gewann davon fünf. Dazu holte der Klub 2016, 2017 und in diesem Jahr auch die Vereinskrone im europäischen Rugby, den Heineken Champions Cup - wohl nur Irlands bester Klub Leinster ist aktuell sportlich in ähnlichen Spähren unterwegs. Hinter all diesen Erfolgen steht jetzt aber ein dickes Fragezeichen - denn Saracens haben laut einem gestrigen Urteil einer unabhängigen Disziplinar-Kommission der Premiership jahrelang systematisch die Gehaltsobergrenze der Liga umgangen und sich damit einen unlauteren Vorteil gesichert.
Aktuell erlaubt es die Premiership ihren Klubs sieben Millionen Pfund für ihren Kader auszugeben. Zwei Topspieler (Marquee Players) können unabhängig davon bezahlt werden, weitere Regelungen für Akademie-Spieler existieren, so dass viele Klubs in die Nähe der zehn Millionen Pfund Kaderkosten kommen dürften. Die Idee dahinter, wie bei allen Salary-Cap-Regelungen im Profisport: Einen ausgeglichenen Wettbewerb zu haben und gleichzeitig einen unlauteren Wettbewerb zu verhindern. Tatsächlich ist die Premiership in den letzten Jahren die wohl spannendste Liga der Welt gewesen, bei dem jeder jeden schlagen konnte. Mit der prominenten Ausnahme Saracens und mit Abstrichen Exeter.
Schon seit Jahren wunderten sich viele Beobachter, wie Saracens es gelungen sei, derartig viele Stars, wie Owen Farrell, die Vunipola-Brüder, oder Springboks-Prop Vincent Koch an Land zu ziehen, ohne dabei die Regeln der Salary Cap zu umgehen. Die Antwort scheint kreative Buchhaltung zu sein. Schon 2014 hatten sich Saracens im Stillen mit der Premiership auf eine Strafe geeinigt, nachdem sie und Bath ihren Spielern zu viel gezahlt hatten. Damals war die Wut der anderen Premiership-Rivalen über die lasche Strafe ein großes Thema, aber bei der Premiership schien man wohl gewillt das Ganze unter den Teppich kehren, um den eigenen Vorzeige-Klub mit einer Reihe von England-Stars so kurz vor der Heim-WM nicht zu beschädigen.
Im März dieses Jahres dann hatte die Daily Mail nach monatelangen Recherchen einen Bericht veröffentlicht, der die Methoden von Saracens und ihrem Besitzer Nigel Wray, die Gehaltsobergrenze zu umgehen, offenlegte. Der millionenschwere Immobilien-Magnat hatte zusammen mit einem Saracens-Vorstand Firmen gegründet, mit denen er Immobilien im Großraum London aufkaufte. Anteile an diesen wurden dann an verdiente Star-Spieler wie Farrell, oder die Vunipola-Brüder überschrieben. Dass Wray dabei den Investment-Limiteds (vergleichbar mit einer GmbH) kreative Namen wie Vunprop (Vunipola-Brüder) Ltd. oder Faz Ltd. (Owen Farrells Spitzname) gab, die eindeutig auf die Besitzer hinwiesen, zeigt wie sicher er sich seiner Sache war. So konnten den Star-Spielern der Saracens Millionen zugeschustert werden, ohne dass diese auf der Gehaltsliste auftauchten.
Im Falle von Farrell, der seinen Vertrag 2017 trotz lukrativer Vertrags-Angebote von anderen Klubs verlängerte, wurden die Anteile nur wenige Wochen nach Unterzeichnung des neuen Vertragswerkes unterschrieben. Dem Anschein nach, war das Investment-Paket Teil der Vereinbarung. Dazu hatte Saracens-Besitzer Wray einer Reihe von Spielern Immobilien überschrieben, in denen sie umsonst wohnen konnten. Auch dies hätte nach den Regeln der Salary Cap als geldwerter Vorteil verbucht werden müssen, was aber so nicht geschah.
Bericht von Sky News zu diesem Thema
Nach dem Bericht der Sportsmail war der Aufschrei in der englischen Premiership groß und die Liga kam nicht wie 2014 um eine gründliche Aufklärung herum. Eine monatelange Untersuchung folgte. Laut dem gestrigen Urteil hatte der Klub die Regeln derart systematisch hintergangen, dass dem amtierenden Meister die größte Strafe der Liga-Geschichte aufgebrummt wurde: 35 Punkte Abzug in der laufenden Saison und über fünf Millionen Pfund Strafe. Der Klub will gegen diese drakonische Strafe in Revision gehen, man habe nicht absichtlich die Regeln brechen wollen, so die Verteidigung von Besitzer Ray. Doch zunächst steht der amtierende Champ mit -26 Zählern am Tabellenende der bereits laufenden Premiership-Saison. In der Vorsaison hätte eine derartige Strafe nicht den Abstieg für Saracens bedeutet. Jedoch wird der Klub seine England-Stars nach der WM-Regelung aufgrund einer Regelung des Verbandes nur in einer begrenzten Anzahl an Spielen einsetzen dürfen - es dürfte spannend werden und ein Abstieg des Topklubs ist alles andere als utopisch.
Beim Erz-Rivalen der letzten Jahre Exeter ist man mit der Strafe nicht zufrieden. Chiefs-Vorsitzende Tony Rowe erklärte gegenüber der BBC man sei bereits seit Jahren davon ausgegangen, dass Saracens die Regeln breche. Zwei Endspiele hatten die Chiefs gegen Saracens verloren - doch keiner der Titel soll dem Londoner Klub aberkannt werden. Das stößt den Chiefs sauer auf. Saracens werden zunächst aber erst Mal einige ihrer Star-Spieler loswerden müssen, um diese Saison nicht erneut über der Salary Cap zu liegen.
Torontos Rugby-League-Verein wildert im Rugby Union: SBW und Manu Tuilagi im Visier
Toronto Wolfpack ist der wohl ungewöhnlichste Verein im professionellen Sport. Die Heimat des Pack ist das Lamport Stadium unweit des Zentrums der kanadischen Mega-Metropole. Die Liga-Konkurrenten des Wolfpack sind aber mit der Ausnahme der Catalan Dragons aus Perpignan allesamt in nordenglischen Kleinstädten zu finden, mindestens sieben Flugstunden und fünf Zeitzonen entfernt. Nächste Saison heißt es nach dem Aufstieg des vor erst drei Jahren gegründeten Wolfpacks in die Super League dann unter anderem Toronto (knapp 6 Millionen Einwohner) gegen Castleford (40.000 Einwohner) oder Saint Helens (100.000 Einwohner).
Dazu bietet das Team aus Toronto nicht einen einzigen Kanadier in seinen Reihen auf und wird von einem australischen Bergbau-Milliardär finanziert, der im Sommer wegen eines Rassismus-Skandals als Vorsitzender des eigenen Klubs zurücktreten musste. Das Wolfpack spielt in der Variante Rugby League, die lediglich an Australiens Ostküste und in Teilen Nordenglands wirklich beliebt ist und ohne Gassen, mit veränderten Rucks und mit Gedrängen ohne Druck gespielt wird. Bisher lief das Wolfpack weitestgehend unter dem Radar, trotz des vor kurzem erreichten Aufstiegs in die erste englische Liga, genannt Super League.
Mit diesem Sieg sicherte sich Toronto vor kurzem den Aufstieg in die Super League
Doch in England sowie im gesamten Rugby-Universum dominierte das Pack gestern Abend die Schlagzeilen, warum? Torontos schwerreicher Besitzer sicherte dem Team die Unterschrift des All-Blacks-Superstars Sonny Bill Williams und macht ihn mit einem Deal, der über zwei Jahre 10 Millionen australische Dollar wert sein soll, zum bestbezahlten Spieler der Welt. Williams, der einst aus dem Rugby League zum Union gewechselt war, hatte nach dem Bronze-Finale mit 34 Jahren seine Karriere bei den All Blacks beendet und hatte obwohl nicht mehr auf der Höhe seines einstigen Könnens, viele Angebote. Er soll dem Team in Toronto, das unter anderem mit dem amtierenden NBA-Sieger Raptors um Aufmerksamkeit kämpft, mehr Aufmerksamkeit verschaffen.
Dabei wird SBW pro Jahr mehr verdienen, als der gesamte Kader eines jeden anderen Super League Klubs. Denn dort ist die Gehaltsobergrenze bei 2,1 Millionen Pfund pro Jahr. Jedoch dürfen zwei sogenannten Marquee Players, ähnlich wie bei der Premiership im Union, davon ausgenommen werden. Wie Williams künftige Mitspieler darauf reagieren, dass ihr Teamkollege das x-fache verdient wie sie selbst, dürfte gerade im Hinblick auf die Team-Dynamik beim Wolfpack interessant sein.
Wolfpack-Besitzer David Argyle will sich mit diesem Mega-Coup aber wohl noch nicht zufrieden geben. Berichten zufolge hat er es ebenso auf England-Star Manu Tuilagi abgesehen. Während Sonny Bill Williams mit 34 am Ende seiner Karriere steht, hat der explosive England-Innen Tuilagi mit 28 einige seiner besten Rugby-Jahre vor sich. Anders als Williams, hat er aber keine Erfahrung im League, das sich seit der Abspaltung im Jahr 1895 vom Union in manchen Aspekten komplett anders entwickelt hat.
Wie geht es mit Japan weiter?
Die Brave Blossoms waren die Sensation bei der am Samstag zu Ende gegangenen WM. Die Frage bei den Verantwortlichen im Welt-Rugby ist: Wie sorgt man dafür, dass die Begeisterung in Japan nicht einfach so verpufft? Nachdem Tokyo nun über mehrere Jahre ein Super Rugby Team gestellt hatte, schien eine Aufnahme in die Rugby Championship fast die logischste Variante. Die Verantwortlichen beim Organisator SANZAAR zögerten bisher mit einer Einladung.
Vielleicht könnten nun die Six Nations in diese Bresche springen. Medienberichten zufolge werden bereits hinter verschlossenen Türen Gespräche gehalten, um die Brave Blossoms in den ältesten internationalen Rugby-Wettbewerb aufzunehmen. Es wäre nicht die erste Erweiterung: 1910 wurde Frankreich Teil des Wettbewerbs und im Jahr 2000 Italien. Jedoch wäre eine Erweiterung mit Japan eine logistische Herausforderung, angesichts von sieben Stunden Zeitunterschied im Winter, sowie einer 12 Flugstunden langen Anreise. Ein Flug von Tokio nach Auckland dauert jedoch ebenso über 10 Stunden.