Die Umstände beim Auswärtsspiel der Neckarsulmer Sportunion in Unterföhring forderten der Neckarsulmer Mannschaft eine Reifeprüfung ab: Ein Termin in den Ferien, mit Brückentag, also eine Zeit, in der Familie oder Freundin Zuwendung erwarten, ein Gegner den jeder, auch unterbewusst, als leicht einschätzt, der Unterföhringer Platz mit seinen knappen Maßen und eine Unterföhringer Truppe von beeindruckender Körperlichkeit, Und natürlich das
WM-Endspiel, das man bei einem Bus-Zwischenstopp in Augsburg in einem Irish-Pub verfolgt - was die Spieler aber nötigt, schon um 6h morgens aufbruchbereit zu sein. Das Partnerin-Problem ist gelöst, weil sieben Damen als lautstarker Fanclub mit von der Partie sind. Der Neckarsulmer Alterspräsident ist per Bahn angereist und hat den Platz bereits inspiziert: noch kürzer und schmaler als der heimische Rossmarkt Sportplatz, und das will was heißen. Trainer Carter stellt die Mannschaft auf diese Umstände ein: Rasenschach ist angesagt: 15 Bauern arbeiten sich schräg vorwärts Meter für Meter vor; die gleichen 15 spielen aber auch als Türme, indem sie bei kraftvollen Durchbrüchen nach vorn Meter machen. Die schnellen und leichten Läufer und Pferde der Blauen können ihre Qualitäten nur schwer auf den Rasen bringen: nach jedem erfolgreichen Side-Step gibt es die nächste Kontaktsituation. Unter den 15 Bauer-Türmen nimmt Verbinder Schiavini als Wesir und Stratege eine souveräne Sonderrolle ein. Die Mannschaft setzt dies Konzept gut um und legt 10 Versuche, die sich Sturm und Hintermannschaft redlich teilen. Ein Versuch ist es wert, gesondert geschildert zu werden: Doppelbauer Kapolla macht bei einem seiner Durchbrüche im Unterföhringer Viertelfeld 20 Meter, gerät dann 5 Meter vor der Mallinie mit dem Ball in eine Kontaktsituation, fordert seine Kameraden in korrektem Englisch zur Unterstützung auf: "Push me!", und da Imperative die kürzeste Endung haben, die es gibt, nämlich gar keine, kommen die Blauen auch sofort in die Puschen und pushen ihren sich kraftvoll vorwärts arbeitenden Vereinspräsidenten zum Versuch ins Malfeld. Der schwere Unterföhringer Sturm ist machtlos gegen diese Mischung aus spielerischem Können und sprachlicher Kompetenz. Reifeprüfung bestanden. Unterföhring kann in der 2. Halbzeit über weite Phasen mithalten und den verdienten Ehrenversuch legen. Der Verein scheint zurzeit eine kritische Gegenwart zu haben, hat aber auch eine gute Zukunft, denn eine große Jugendabteilung und die Lage im Münchener Speck-Gürtel versprechen langfristig eine Entwicklung, die Heilbronn-Neckarsulm in den letzten 15 Jahren genommen hat. Zudem höre ich, dass Rugby-Unterföhring eine neue Spielstätte bekommt, die von den Maßen her ein Rasenschach mit allen Figuren ermöglichen wird. Im Gespräch mit dem Schiedsrichter Lars Fischer vor und nach dem Spiel wird wieder einmal klar, dass die bayerische Aufbau- und Ausbreitungsleistung im Rugby allen Respekt verdient. Und das nicht in wilden Zeiten, wo die Capri-Sonne scheint, sondern in der Diaspora mit Man-Power.
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