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Südafrika ist Weltmeister: Kapitän Kolisi führt die Boks zum 3. WM-Titel mit 32-12 Sieg über England
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Samstag, 2. November 2019

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Der dritte Streich für Südafrika - Kapitän Kolisi, Südafrikas Präsident Ramapose und the Beast feiern den Titel. Foto (c) World Rugby

Die Experten waren sich einig, der Favorit in diesem Finale sei England. Nach dem Halbfinaltriumph über Neuseeland schien das Mutterland im vierten WM-Finale gefühlt schon auf dem sicheren Weg zum zweiten Titel. Doch Südafrika durchkreuzte die Pläne mit einer Leistung, die alles hatte: Power im Sturm, clevere Lenker auf den Kreativ-Positionen und nicht zuletzt unglaublich viel Speed und Finisher-Qualitäten auf den Außen-Positionen. 32-12 war der Endstand nach 80 Minuten in denen Südafrika den Engländern gefühlt immer einen Schritt voraus war. Prinz Harry blieb nichts anderes übrig, als auf der Ehrentribüne Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa zu gratulieren. In Südafrika kennt der Jubel heute keinerlei Grenzen.

„Wir haben nicht für uns gespielt, sondern für die Leute daheim in Südafrika“, so Springboks-Kapitän Siya Kolisi, nach seinem 50. Länderspiel im berühmten grünen Trikot mit der Sechs. Der erste schwarze Kapitän in der fast 130-jährigen Geschichte des südafrikanischen Rugby-Nationalteams war sich des Supports einer ganzen Nation daheim am Kap der guten Hoffnung sicher. Kolisi, der heute Seite an Seite mit Francois Steyn aufgelaufen war, dem letzten verbliebenen Springboks-Weltmeister von 2007, hatte das Endspiel vor zwölf Jahren als damals 16-jähriger noch in einer Bar in seinem heimatlichen Township schauen müssen. Denn seine Eltern hatten in ihrem Heim keinen Fernseher. Heute war Kolisi der Anführer eines Springboks-Sturms, der den Engländern von früh an den Zahn zog.

England hatte bei den Standards gleich von Beginn an riesige Probleme. Die Gasse wurde von Südafrikas Zwei-Meter-Männern in der zweiten Sturmreihe dominiert und auch im Gedränge lief es für England überhaupt nicht. Tighthead-Prop Kyle Sinckler war bei seinem ersten Tackle mit einem Team-Kollegen zusammengestoßen und musste nach nicht einmal drei Minuten vom Feld. Sein Ersatz Dan Cole wurde von seinem Gegenüber, Südafrikas „Beast“ Tendai Mtawarira, nach Belieben dominiert und zurückgedrängt - so holten sich die Boks in fast jedem Gedränge einen Straftritt heraus. Dazu spielte England ambitioniert, aber mit viel zu vielen Fehlern. Ein gutes halbes Dutzend Pässe der Engländer fanden in Durchgang eins ihren Adressaten nicht und brachten das Team ein ums andere Mal in die Bredouille.

Als England schließlich doch in Schlagdistanz kam und Mitte des ersten Durchgangs die südafrikanische Linie minutenlang belagerte, verteidigten die Boks an der Grenze des Legalen und mehrmals auch darüber hinaus. Doch trotz dreier Straftritte gegen Südafrika tief in der 22 weigerte sich der französische Unparteiische Jerome Garcès, der für seine laxe Linie bei den Rucks bekannt ist, eine Gelbe zu zücken. Es ist, so zynisch es auch klingen mag, auch ein Zeichen eines Top-Teams, die Limits auszutesten - die All Blacks machen dies seit Jahren äußerst erfolgreich. Dass die Springboks diese Phase quasi schadlos überstanden und schließlich mit 6-12 in die Pause gingen, nach zwei zu vier Straftritten im Duell der Kicker Pollard und Farrell, war einer der Knackpunkte.

England lief konstant einem Rückstand hinterher und fand keine richtige Linie im Spiel. Sollte man nun Risiko gehen, oder doch konservativ agieren und auf ein taktisches Kickspiel setzen? England probierte beides und ging dabei gefühlt genau in den falschen Momenten auf Risiko, verlor dabei zu oft die Bälle und konnte auch mit dem Kickspiel nicht überzeugen. Südafrika spielte dagegen weitestgehend konservativ, wenn auch nicht so destruktiv, wie in der Vorwoche gegen Wales. In den richtigen Momenten schlugen die Boks dann aber gnadenlos zu, als Mitte des zweiten Durchgangs beim Stand von 18-12 noch alles offen war.

Erst war es eine tolle Kombination über die linke Seite, mit noch gut 15 Minuten auf der Uhr, die Südafrika den ersten Versuch brachte. Der Ball wanderte aus der Mitte blitzschnell Richtung Flügel, wo Springboks-Außen Makazole Mapimpi an der ersten Defensivlinie vorbeikam, dann auf England-Schluss Elliot Daly zulaufend einen perfekt platzierten Überkick setzte, den sein Sharks-Teamkollege Lukhanyo Am aufsammelte und direkt wieder zurück auf Mapimpi spielte, so dass dieser unbedrängt ins Malfeld einlaufen konnte. Es war ein großartig herausgespielter Versuch, der die Boks-Fans unter den über 70.000 in Yokohama zum Ausrasten und England unter Zugzwang brachte.

England hatte aber nicht die richtige Antwort parat. Zwar arbeiteten sich die Männer von Trainer Eddie Jones über einen schnell von Gedrängehalb Ben Youngs angekratzten Straftritt noch einmal bis kurz vor der Linie der Boks vor - dort jedoch verlor Außen Anthony Watson den Ball im Tackle. Es war wohl die letzte realistische Chance des Teams mit der Rose auf der Brust den Rückstand noch wettzumachen - und im Gegenzug dann die Kirsche auf der Sahnetorte aus südafrikanischer Sicht: An der Mittellinie kassierte Englands eingewechselter Innen Henry Slade einen harten Hit, der ihn das Leder fallen ließ. Südafrikas Außen Cheslin Kolbe nahm den Ball dankbar auf und tanzte sich in seiner unnachahmlichen Art quer durch die Hälfte der Engländer und per Step an Englands Farrell vorbei zum Versuch, der das Ergebnis besiegelte. Ex-Siebener-Star hatte im Turnierverlauf die meisten Verteidiger im Eins-zu-Eins geschlagen und sich im Endspiel den verdienten Lohn geholt.

Die Regie im Stadium von Yokohama schaltete nun plötzlich auf Bilder von einem 14.000 km entfernten Ort. Genauer gesagt nach Zwide, einem Township im Umland von Port Elizabeth, in dem zu 99% schwarze Südafrikaner wohnen. Als Siya Kolisi im Jahr 1991 genau dort geboren wurde, hätte sich wohl kaum einer der gut 200.000 Bewohner großartig um Rugby geschert - den Sport, der als der Sport der weißen Besatzer bekannt war. Doch heute lagen sich tausende Bewohner des noch immer ärmlichen Viertels in Zwide in den Armen. Die Bedeutung dieses Sieges, 24 Jahre nachdem Nelson Mandela dem damaligen Kapitän Francois Pienaar die WM-Trophäe übergab, kann gar nicht genug betont werden.

Die Video-Highlights des Endspiels

Südafrika hat in vielerlei Hinsicht Geschichte geschrieben. Als einziges Team im Welt-Rugby haben sie noch kein World-Cup-Finale verloren, an dem sie teilgenommen haben. Als erstes Team konnten sich die Boks den Webb-Ellis-Cup sichern, nachdem sie ein Gruppenspiel verloren haben. Lediglich den Rekord für den höchsten Finalsieg hat Südafrika knapp verpasst - Australien hatte 1999 gegen Frankreich mit 23 Zählern Vorsprung gegen Frankreich gewonnen, drei mehr als Südafrika heute.

Noch 2018 lagen die Boks auf einen historisch schlechten siebten Platz im World-Ranking abgerutscht. Im September 2017 hatten sie in Auckland eine historische 0-57 Pleite gegen Neuseeland kassiert. Doch all dies ist vergessen, die Boks sind wieder das beste Rugby-Team der Welt. Der einzige Wehrmutstropfen aus Sicht Südafrikas: Weltmeister-Coach Rassie Erasmus hat im Vorfeld des Turniers angekündigt, dass er sich aus familiäreren Gründen auf den Posten des Sportdirektors zurückziehen wird. Für die Springboks und ihre Millionen Anhänger um den Globus jedoch ist jetzt der Moment um zu feiern.

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