TR-Vorschau WM-Finale: Wer holt sich die Krone im Welt-Rugby?
Geschrieben von TotalRugby Team
Freitag, 1. November 2019
Eines der wichtigen Duell morgen - die Sturm-Giganten Etzebeth und Itoje: Foto (c) Perlich
England oder Südafrika? Wer wird morgen Mittag deutscher Zeit als der neue Weltmeister feststehen? Es ist das Rematch des Endspiels von 2007, doch dieses Mal geht das Mutterland gegen die Springboks als klarer Favorit in das 45. und letzte Spiel der diesjährigen WM. Krönt sich das englische Team und sein Trainer Eddie Jones mit der wichtigsten Trophäe im Welt-Rugby, oder wird Siya Kolisi als Springboks-Kapitän das südafrikanische WM-Märchen weiterschreiben? Die Kollegen von ProSieben Maxx übertragen ab 9:15, wir liefern euch schon jetzt alle Infos zur Partie.
Es ist das große Finale einer tollen Weltmeisterschaft, der vielleicht besten und stimmungsvollsten bisher. Hunderte Millionen um den Globus an den Schirmen, sowie gute 70.000 glückliche Ticketinhaber im Yokohama Stadium werden morgen ab 10 Uhr deutscher Zeit verfolgen, wer die Neuseeländer als Rugby-Weltmeister ablöst. Es ist das Spiel der Spiele - auf bekannten Online-Zweitmarkt-Plattformen sind Tickets für dieses Endspiel nicht für unter 1000 € zu haben und unter den Gästen wird unter anderem der japanische Kaiser sowie die britischen Prinzen Harry und William sein.
Viele Faktoren können am Ende der 80 Minuten von Yokohama und einer eventuellen Nachspielzeit den Unterschied machen - historisch gesehen haben die Südafrikaner die bessere Bilanz. Die Boks haben bisher bei ihren beiden Endspiel-Auftritten nicht verloren, während England bei drei Rugby World Cup Finals nur ein Mal als Sieger vom Platz gingen. Zuletzt waren die Südafrikanern 2007 im Duell mit England in Paris mit 15-6 erfolgreich, unter anderem auch wegen eines kontroverserweise aberkannten Versuchs von England-Außen Mark Cueto. Mit François Steyn bei den Boks, ist nur ein einziger Spieler aus dem damaligen Endspiel übrig geblieben.
Nach dem Halbfinale England-Neuseeland sehen die meisten das Mutterland als Final-Favoriten
Für Englands Trainer Eddie Jones, der es im Gegensatz zu seinem Gegenüber Rassie Erasmus nie selbst zum Rugby-Nationalspieler seiner Heimat gebracht hat, ist es bereits das dritte WM-Finale als Coach. 2003 war er der Trainer Australiens, als die Wallabies im Finale gegen England in der Nachspielzeit durch ein Wilkinson-Dropgoal verloren. 2007 war er der Assistenzcoach von Jake White bei Südafrika und nun will er seine lange und erfolgreiche Karriere in seinem 151 Länderspiel als Trainer mit dem ersten WM-Titel als Headcoach krönen. Diese Erfahrung ließ Jones in den vergangenen Tagen entspannter, als sonst wirken. Am heutigen Freitag gab der Coach einer Schülermannschaft in Tokio gar noch eine Trainingseinheit. In das abschließende England-Training brachte er derweil dieser Tage ausgerechnet eben jenen Wilkinson ins England-Training, der seinen Wallabies 2003 daheim in Sydney noch die dramatische Last-Minute-Niederlage zugefügt hatte.
Doch wer könnte den beiden Spielmachern George Ford und Owen Farrell wohl besser Tipps zum Spiel ihres Lebens geben, als der England-Veteran mit dem goldenen linken Fuß? Wilkinson probte mit Farrell und Ford Dropgoals und indem man von England-Seite Fotografen zum Training zuließ, sendete man auch ein Signal: Wir sind auf alles vorbereitet.
Master Class vom Maestro: Johnny Wilkinson schaut beim England-Training vorbei
Wilkinson, sowie eine ganze Generation englischer Nationalspieler, haben sich damals 2003 für die Ewigkeit einen absoluten Heldenstatus gesichert und wurden reihenweise von der Queen zum Ritter geschlagen - jetzt kann eine weitere Generation nachziehen. Es war auch die Nervenstärke Wilkinsons, die am Ende in Sydney den Unterschied machte. Der oftmals hitzköpfige Engländer Farrell war im bisherigen WM-Verlauf nicht einmal negativ aufgefallen - ob er auch im Finale einen kühlen Kopf bewahren wird, könnte am Ende ebenso wichtig sein.
Die meisten neutralen Experten und insbesondere die Buchmacher halten die Engländer nach ihrer brillanten Vorstellung im Halbfinale gegen Neuseeland für den klaren Favoriten. Was ebenso für die Engländer spricht: Sie hatten nach ihrem Semifinale einen Tag mehr zur Regeneration und dazu im Turnierverlauf durch die Taifun-bedingte Absage des Frankreich-Spiels sowieso schon ein Spiel weniger zu absolvieren. Dieser Umstand könnte England in einer engen Schlussphase eventuell die Reserven gelassen haben, die Südafrika zum Titel fehlen könnten. Dazu konnte Eddie Jones genau die gleiche Start-XV aufbieten, wie beim überragenden Halbfinalsieg, trotzt der Verletzungssorgen um Außen Johnny May.
Wie beide Teams das Spiel taktisch angehen, ist eine der am heißesten diskutierten Fragen im Vorfeld. In den beiden bisherigen Final-Auftritten hatten die Boks jeweils nur durch Strafkicks und Dropgoals gepunktet und nicht einen Versuch gelegt. Südafrikas Taktik Wales mit einem Kick-Bombardement sowie Dauer-Druck in den Rucks zu überwältigen, dürfte gegen England aber dieses Mal kaum reichen. England hat mit Itoje, Kruis und Vunipola eine Reihe von Sturm-Brocken, die sich sicherlich nicht von den Giganten Etzebeth und Snyman herumschubsen lassen werden. Haben die Boks einen Plan B? Man weiß es nicht, aber mit Cheslin Kolbe kommt immerhin ihre größte Waffe im Angriff zurück. Der nur 1,70 cm große wieselflinke Außen mit reichlich Siebener-Erfahrung war zuletzt die potenteste Boks-Waffe im Angriff, hatte aber im Halbfinale gefehlt.
Werden die Boks im Finale wieder mit einem hochtaktischen Spiel aufwarten?
Doch zu aller erst dürften wohl Südafrikas Neuner de Klerk sowie Verbinder Pollard per Kick die englische Hintermannschaft austesten. Es ist ein Spiel, das auf die Fehler der Gegner vertraut und das Spiel für den neutralen Zuschauer reichlich unansehnlich macht. Dabei hatten die Boks doch in den letzten beiden Saisons unter Trainer Erasmus bewiesen, weit mehr als das simple Kickspiel zu können. In Südafrika wird jedoch am Ende niemand nach dem wie fragen, sofern die Boks den dritten WM-Titel holen. Zumal das Bild von Siya Kolisi, dem ersten farbigen Kapitän in der fast 130-jährigen Geschichte der Boks, mit der WM-Trophäe in der Hand, um die Welt gehen würde. Kolisi hatte das Finale 2007 noch in einer Taverne geschaut, da in seinem Elternhaus in einem Armenviertel von Port Elizabeth kein Fernseher stand
In England, wo Rugby in weiten Kreisen noch immer den Ruf eines Sports der wohlhabenden Mittel- und Oberschicht anhängt, könnte dieses Team aber ebenso für einen Imagewandel sorgen. Zwar sind im Kader noch immer reichlich Spieler, die über prestigeträchtige Privatschulen zum Rugby gekommen sind. Aber genauso Spieler wie Jack Nowell und Luke Cowan-Dickie, deren Väter Schiffs-Kapitäne im Rugby-verrückten Cornwall sind. Oder die Sturm-Asse Itoje und Sinckler, die beide mit Migrationshintergrund in der Hauptstadt London großgeworden sind.
Sollte sich dieser bunte Haufen den Titel sichern, dürfte Rugby in England einen noch größeren Boom erleben. Zumal wenn es das Team auf ähnlich spektakuläre Weise, wie im Halbfinale machen sollte. Morgen ab 9:15 berichten die Kollegen von ProSieben Maxx live aus dem Ran WM-Studio.
Ran Experten-Tips
Manuel Wilhelm:England ist nach dem Jahrhundert-Spiel gegen NZ natürlich favorisiert, ich habe aber vor WM-Start auf Südafrika als Weltmeister getippt und bleibe dabei.