Big in Japan. Der WM-Favorit und Titelverteidiger erfreut sich in Japan größter Beliebtheit. Foto (c) Perlich
Die All Blacks und Südafrika sind bei Rugby World Cups eigentlich immer die heißesten Favoriten, doch im Vorfeld dieser WM waren sich die Favoriten einig: Beide Teams sind verwundbarer denn je und dementsprechend ist die Titelentscheidung offener denn je. Nach einer Gruppenphase, die für beide Top-Teams eher ein lockerer Aufgalopp war, scheint es besser als gedacht um die Chancen der Südhemisphären-Großmächte zu stehen. Aktuell braut sich in den warmen Gewässern südlich von Japan ein Super-Taifun zusammen, der die letzte Runde der Gruppenspiele bedroht.
Ungewöhnlich warm war es zuletzt auch in Japan und in den sowieso schon tropisch warmen Wassern des Philippinischen Meers stieg das Thermometer noch weiter, da dass die Meeres-Temperaturen kritische Höhen erreichten. Deshalb war es bereits vor Wochen abzusehen, dass die diesjährige Taifun-Saison in Japan kritisch zu werden droht. Nachdem ein erster Taifun vor gut zehn Tagen Spiele beim World Cup zu bedrohen schien, doch in allerletzter Minute abdrehte, könnten es dieses Mal ernst werden. Innerhalb von nur 24 Stunden bildete sich Taifun Hagibis von Montag bis Sonntag und aktuell wird vom japanischen Wetterdienst vorhergesagt, dass er sich zu einem Wirbelsturm der höchsten Kategorie fünf entwickeln wird. Das bedeutet Windspitzen von bis zu 270 km/h.
Der vorhergesagte Weg des Sturms bedroht nun ausgerechnet die japanische Hauptinsel Honshu, in deren Mitte mit unter anderem Tokio und Yokohama mehrere Spielorte liegen. Am Wochenende werden die Auswirkungen dort auf jeden Fall zu spüren sein, nur wie stark die wichtigsten Orte Japans betroffen sind, steht noch nicht fest. Neuseeland-Italien, Frankreich-England und Schottland-Japan sind allesamt von der Absage bedroht - laut den Turnier-Regularien würde ein solches Spiel als 0-0 Unentschieden gewertet. Für Schottland würde dies das sichere Aus bedeuten, sofern Irland in Kobe gegen Samoa gewinnt. Die All Blacks würden ihre Gruppe dennoch gewinnen und vor den Springboks.
Der beste Versuch der bisherigen WM?
Dabei war die Vorfreude auf den Höhepunkt der Gruppenphase auch in Japan allerorts spürbar. Zumal das Heimteam noch mit allerbesten Chancen auf das Viertelfinale im Rennen ist. Doch auch wenn es bei den Gastgebern nicht für den allerersten Einzug in die K.O.-Phase reichen sollte, haben doch die meisten Japaner ein Zweit-Team im Rennen. Die All Blacks erfreuen sich unglaublicher Beliebtheit im Land der aufgehenden Sonne. Seit Jahren schon besucht der amtierende Weltmeister das Land regelmäßig für PR-Termine und Länderspiele um seine Präsenz in der drittgrößten Volkswirtschaft der Erde zu erhöhen und zwar mit Erfolg. Wer in Tokio aktuell U-Bahn fährt, wird mit Werbespots des Neuseeland-Hauptsponsors AIG quasi überflutet. Rund um die weltberühmte Shibuya-Kreuzung, in der stündlich Hunderttausende Fußgänger die breiten Straßen Tokios kreuzen, ist überdimensionierte Werbung für die All Blacks zu sehen.
Im japanischen Fernsehen sieht man Sport-Moderatoren gehüllt in das berühmte schwarze Trikot des dreimaligen Weltmeisters und auch auf der Straße in Japan sieht man die Einheimischen nach ihren eigenen am ehesten in den Farben des Weltmeisters. Natürlich spielt der sportliche Erfolg Neuseelands und die Faszination Haka eine große Rolle dabei, aber auch die Art und Weise zu spielen. Gegen Namibia vorgestern taten sich die Neuseeländer eine halbe Stunde lang schwer, bis kurz vor der Pause stand es 10-9 für den Weltmeister, dann aber zauberten die All Blacks umso mehr. Ein Versuch in Durchgang zwei mit gleich mehreren spektakulären Offloads, abgeschlossen von Schluss Ben Smith, ist wohl der bisher beste im Turnier. Am Ende stand ein standesgemäßes 71-9 zu Buche. Neuseeland ist bei dieser WM voll da, keinerlei Zweifel darüber.
So sehr, dass man sich bei der Konkurrenz abstruse Gedanken macht. In Frankreich hatte sich zuletzt in den Medien eine Diskussion darüber entwickelt, ob es nicht besser sei im Gruppen-Entscheidungsspiel gegen England zu verlieren und so nicht im Halbfinale auf Neuseeland zu treffen. So groß ist der Respekt bei dem Team, das einst Neuseelands Schreckgespenst bei den World Cups war. Wer könnte also Neuseeland gefährlich werden, außer die Springboks - sicherlich England und im Team von Eddie Jones ist man nicht bereit gegen Frankreich zu verlieren, um den All Blacks aus dem Weg zu gehen. Die nächsten Wochen in Japan versprechen viel Spannung, auch wenn am Wochenende ein Sturm droht das Programm mächtig auseinanderzuwirbeln.
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