Mark Kuhlmann wird die DRV XV in der kommenden Rugby Europe Trophy gemeinsam mit Alexander Widiker betreuen.
Es waren turbulente Jahre, die unsere Fünfzehner-Nationalmannschaft zuletzt erlebt hat. Doch nach der verpassten WM-Quali letzten November in Marseille folgte diesen Frühjahr der Abstieg in die Rugby Europe Trophy. Seit einem Monat steht nunmehr fest, dass Mark Kuhlmann die Adler in der Rugby Europe Trophy betreuen wird - wir haben uns mit dem ehemaligen Nationalmannschafts-Kapitän, der nun ihr Trainer sein wird, unterhalten.
TotalRugby: Hallo Mark, erst ein Mal Danke dafür, dass du dir die Zeit genommen hast für das Interview. Du wirst die deutsche Nationalmannschaft in genau einem Monat in Lodz an der Seitenlinie aus coachen, wenn unsere Adler gegen Polen antreten. Seit wann genau stand fest, dass du der neue Trainer des deutschen Nationalteams sein wirst.
Mark Kuhlmann: Seit etwa vier Wochen, ich wusste es auch nicht viel früher, als es dann am Ende veröffentlicht wurde. Ich bin kurz davor gefragt worden, ob ich dem DRV helfen kann. Erst einmal war das sehr sehr überraschend und grundsätzlich war ich auch gar nicht Mal dermaßen angetan, immerhin habe ich gerade erst eine neue Aufgabe bei Handschuhsheim übernommen. Aber im Endeffekt war ich lange Nationalspieler, habe eine lange Zeit bei dem Verband verbracht, bei dem ich jetzt wieder angestellt bin und habe mir gedacht, wenn ich helfen kann, dann mache ich das. Allerdings werde ich das erstmal interimsmäßig machen, bis der Verband sich neu aufgestellt hat und bis der neue Präsident im Amt ist, bis man weiß wo es hingehen soll beim DRV.
TR: Wie kam die Zusammenarbeit mit Alexander „Snakko“ Widiker, der dich jetzt in deiner neuen Rolle unterstützen wird, zustande?
MK: Das war eine meiner Bedingungen. Zum Einen, da ich Snakko schon sehr sehr lange kenne und schätze. Zum Anderen weil ich auch jemanden benötige, der die Spieler immer wieder sieht und sich auskennt. Da ist er als Stützpunktleiter in Heidelberg in der besten Position. Wie gesagt - ich schätze ihn persönlich sehr, ich schätze seine Meinung und die Art wie er gespielt hat. Deswegen war das für mich eine Voraussetzung, damit ich diese stelle antrete.
TR: Die letzten Wochen waren ja sicher nicht dermaßen einfach, war die Kaderplanung die größte Herausforderung?
MK: Das ist natürlich sehr schwierig gewesen. Glücklicherweise ist es heutzutage möglich sich alle Bundesliga-Spiele anzuschauen, da es genug Video-Material gibt. So dass wir beurteilen können, wer aktuell von den Spielern in Form ist, das ist sehr wichtig um sich einen Überblick zu verschaffen.
TR: Im Vergleich zur Rugby Europe Championship sind schon ein paar Spieler weniger im Kader, die im Ausland spielen. Wie kam es dazu?
MK: Das ist von einigen Faktoren abhängig. Grundsätzlich ist das, was in den letzten drei, vier oder fünf Jahren aufgebaut wurde, eine tolle Sache - unter professionellen Bedingungen, da ist gute Arbeit geleistet worden. Jetzt kommt das große aber - die Zeiten sind vorbei, wir sind nicht mehr in der höchsten Spielklasse und natürlich sind die finanziellen Mittel auch nicht mehr vorhanden. Jetzt haben wir die Möglichkeit einen Schnitt zu machen, einen wirklichen Neuanfang zu starten, mit jungen Leuten zu arbeiten. Das gibt dem Verband und dem Team die Möglichkeit sich zu konsolidieren. So dass man von der Basis her aufbauen kann.
Was mir in den letzten Jahren ein wenig gefehlt hat, es waren alles sehr sehr gute Spieler, aber nicht wirklich repräsentativ für die deutschen Vereine und das deutsche Rugby. Für mich ist eine deutsche Nationalmannschaft eine Auswahl der besten deutschen Spieler von den deutschen Vereinen, punktuell verstärkt mit Spielern im Ausland, die vielleicht auf einem höheren Niveau spielen. Das war in letzter Zeit nicht mehr so - es hatte sich alles nur noch auf einen deutschen Verein, maximal zwei, verteilt. Deshalb haben viele Klubs gar keine Nationalspieler mehr produziert. Bei der Nationalmannschaft will man doch auch die Spieler sehen, die am Samstag zuvor noch in der Bundesliga gespielt haben. Für unseren Nachwuchs sollten das doch auch die Leute seien, die Vorbild sind, die man auch kennt. Auf diesem Weg befinden wir uns jetzt wieder - ja, wir haben einen deutlichen Schnitt gemacht und fangen jetzt an mit unseren jungen Leuten zu arbeiten.
TR: Es geht ja bereits sehr bald los - gleich das erste Spiel in Polen dürfte ja ein richtiger Test werden, oder?
MK: Definitiv, die ersten beiden Spiele gegen Polen (2. November in Lodz; Anmerkung der Redaktion) und die Niederlande, das sind sicherlich zwei Favoriten in der Trophy, die sich Chancen auf den Aufstieg ausrechnen. Gerade vom Körperlichen und der Physis her sind die Polen ein starkes Team. Das wird ein Knackpunkt werden, definitiv nicht einfach.
TR: Gibt es eine sportliche Zielsetzung für diese Trophy-Saison?
MK: Ich glaube wir müssen in dieser Liga erst einmal ankommen und versuchen mittelfristig zu denken. Wer mich kennt, weiß, dass ich jedes Spiel gewinnen will. Genauso werden wir in die Spiele auch reingehen. Aber ob es wirklich sinnvoll bzw. machbar ist den direkten Wiederaufstieg anzustreben, da habe ich arge Zweifel. Wir schauen von Spiel zu Spiel, werden versuchen gutes Rugby zu spielen und die Spieler dementsprechend heranzuführen an dieses Niveau. Wir werden in den Länderspielen drei, vier, fünf Debütanten haben, da kann man nicht davon reden, dass wir Favorit sind.
TR: Wie siehst du das Potenzial der jungen Spieler im Kader?
MK: Definitiv sind da Spieler mit sehr viel Potenzial dabei. Man hat in den letzten Jahren hervorragende junge Spieler ausgebildet und jetzt wird es auch Mal langsam Zeit diesen Spielern die Chance zu geben sich zu beweisen. Das war in den letzten beiden Jahren gar nicht möglich, da es immer um etwas ging. Entweder um den Klassenerhalt, die WM, da sind viele Spieler, die es verdient gehabt hätten sich zu präsentieren, einfach auch auf der Strecke geblieben.
TR: Also ist die neue Saison auch eine Chance?
MK: Definitiv! Wir treten nicht an, um ein altes Erbe zu verwalten, sondern um die Chance zum Neustart zu nutzen. Wir haben Erfolge gefeiert, das deutsche Rugby ist nach vorne gekommen - was mich ein wenig stört, alle denken negativ und meinen wir gehen dreißig Jahre zurück. Ja, wir gehen einen Schritt zurück und backen erst einmal kleinere Brötchen, aber wir werden wieder Erfolge feiern und daran arbeiten wir.
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