Die deutsche Rugby-Nationalmannschaft hat sich in Hannover vor der Rekordkulisse von 8213 Zuschauern (bester Wert in der Nachkriegszeit) an die Tabellenspitze der Europameisterschafts-Division 2A gekämpft. Das Team des Trainerduos Rudolf Finsterer und Mark Kuhlmann setzte sich im Rudolf-Kalweit-Stadion mit 21:12 (12:5) gegen die Niederlande durch und verdrängte mit nunmehr zehn Punkten aus vier Spielen zumindest vorerst Moldawien (drei Spiele, neun Punkte) vom ersten Platz.
Bei den Spielern und Verantwortlichen hielt sich die Freude trotz des Sieges allerdings zunächst in Grenzen. “Das war heute kein gutes Spiel von uns”, gab Tim Coly kurz nach dem Abpfiff zu. Und sein Sturmkollege Alexander “Snacko” Widiker, der sein 25. Länderspiel absolvierte und dafür mit der goldenen Verdienstnadel des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV) geehrt wurde, ergänzte: “Gewonnen ist gewonnen. Man hat aber gesehen, dass wir noch an uns arbeiten müssen.” Rudolf Finsterer sah das ähnlich: “Es gibt für uns noch einiges zu tun”, meinte der Nationaltrainer. Seine Mannschaft habe vor der großen Kulisse, darunter auch der französische Präsident des europäischen Rugby-Verbandes (FIRA-AER), Jean-Claude Baqué, zeigen wollen, dass sie richtig gut Rugby spielen könne. “Doch das ist uns leider nicht gelungen”, so Finsterer. Der selbst auferlegte Druck, den vielen Zuschauern ein Rugbyfest bieten zu wollen, lähmte die deutschen Spieler offensichtlich.
Dabei waren die Chancen für einen deutlicheren Sieg durchaus vorhanden. “Alleine in der ersten Halbzeit hätten wir zwei Versuche mehr machen müssen”, ärgerte sich Steffen Thier und gab zu: “Wir waren einfach zu nervös, wollten zu viel.” Die Folge: Das DRV-Team verkrampfte und machte Fehler, die von den Niederländern bestraft wurden. So kamen die Gäste nach dem deutschen Blitzstart auf 5:12 heran und verkürzten nach der Pause gar auf 12:15. “Da hätte das Spiel durchaus kippen können”, gab Finsterer zu. Doch in der entscheidenden Phase war auf Mathieu Franke Verlass: Der Kickspezialist, der sich in der ersten Hälfte von der Nervosität der Mannschaft anstecken lassen hatte, verwandelte nach der Pause drei Straftritte und hielt die Niederländer damit immer wieder auf Distanz. Schon beim 22:14-Sieg vor einer Woche in Kiew gegen die Ukraine hatte der Schlussspieler mit seinen Kicks großen Anteil am Erfolg gehabt.
“Das zeichnet uns aus”, sagte Kapitän Jans Schmidt. “Wir sind inzwischen so gefestigt, dass wir in solchen Phasen durch eine gute Verteidigung überzeugen und uns mit Straftritten immer wieder Luft verschaffen. Letztlich haben wir uns über weite Phasen der Partie das Leben aber selbst schwer gemacht.” So sahen die Zuschauer zwar kein sonderlich gutes, dafür aber, so DRV-Präsident Claus-Peter Bach, “ein spannendes und sehr aufregendes Spiel”, in dem es stets fair zugegangen sei. Bach zeigte sich erfreut über die gute Vorrundenbilanz (drei Spiele, eine Niederlage), warnte die Mannschaft jedoch vor Selbstzufriedenheit. “Wir sind auf einem guten Weg, aber noch lange nicht dort, wo wir hinwollen”, sagte der DRV-Präsident beim Bankett in der AWD-Arena, die nach dem Willen des DRV sowie des Niedersächsischen Rugby-Verbandes (NRV) und der Stadt Hannover im Jahr 2008 Austragungsort der Europameisterschaft im Siebener-Rugby (sieben statt 15 Spieler) sein soll. Die Partie gegen die Niederlande hat eindrucksvoll gezeigt, dass Rugby auch hierzulande Massen bewegen und vor allem begeistern kann. Deutschland ist jedenfalls bereit für die Siebener-EM 2008. Ob sie auch hier stattfindet, muss nun der europäische Rugby-Verband entscheiden. |