Was sind eure Vorhersagen für die kommenden 6Nations? Ich muss grad Zeit totschlagen und stell deshalb mal hier das folgende Ergebnis in den Raum und freu mich über eure Meinungen:
1. WALES: Nach den Oktobertests, in der sie bei weitem das beste Team der Nordhemisphäre waren, wieder die Favoriten. Ganz besonders, weil sie am letzten Spieltag im möglicherweise entscheidenen Spiel gegen die Iren zu Hause im Millenium Stadium spielen. Eine geschlossene Mannschaft, die auf vielen Positionen mehrfach besetzt ist (Insbesondere auf Loosehead,No.8, Scrumhalf, Flyhalf, Wing und Fullback - hier ist teilweise der Ersatzmann besser als bei manch anderem Team der Stammspieler). Schwächen sehe ich höchstens auf Hooker, insbesondere durch Huw Bennett's Verletzung, und in der 2. Reihe, in die man eventuell Jonathan Thomas vorziehen will (um Ryan Jones für Andy Powell von 8 auf 6 ziehen zu können), so dass man dann zwei gelernte Flanker in der zweiten Reihe stehen hat, was in den Standards kritisch werden könnte. Negativ könnte sich auch auswirken, dass Martyn Williams zwar nach wie vor Weltklasse besitzt, zuletzt meiner Meinung nach aber nicht mehr die unglaublichen Leistungen gebracht hat, die ihn für mich zum Schlüsselspieler in Wales letzten Erfolgen gemacht haben.
2. IRLAND: Es ist zu befürchten, dass die Iren mal wieder nahe rankommen, es aber letztendlich doch nicht schaffen werden. Zum einen sind bei ihnen Schlüsselpositionen zu dünn besetzt (Tighthead, Openside, Flyhalf) und zum anderen stehen Sie zwar defeniv gut, verfügen sie über zu wenige Angriffsoptionen, auch weil in O'Leary ein Scrumhalf gesetzt zu sein scheint, der bis ins Extrem den ganz ruhigen gemächlichen Spielaufbau dem schnellen Ball vorzieht. Sinnbild der Konzentration auf die Defensivstärke ist Brian O'Driscoll: Der wohl beste Verteidiger aller Center dieser Erde hat seine leichten Füße, die ihn noch vor einigen Jahren so gefährlich gemacht haben, verloren - und dennoch scheinen diese Defenisvqualitäten dem Trainer so wichtig, dass Kidney ihn soeben als Kapitän bestätigt hat und damit auch jüngeren Leuten, die die 13er Position mit mehr Flair und Offensivpotential füllen könnten (besonders Tommy Bowe, aber auch Luke Fitzgerald, Keith Earls oder Neuling Darren Cave) eine Absage erteilt hat, den großen alten Mann des irischen Rugby bald in Rente schicken zu können.
Besondere Bedeutung wird den drei jungen Talenten Earls, Fitzgerald und vorallem dem überragenden Rob Kearney mit Unterstützung von Rückkehrer Gordon D'Arcy und dem im Herbst brillianten Geordan Murphy zukommen: Diese haben das Potential, regelmäßig die Lücke in der gegnerischen Verteidigung zu finden und so für etwas Gefahr zu sorgen.
Großer Vorteil ist, dass man den ersten Brocken Frankreich gleich am ersten Spieltag hat: Das vielleicht überalterte, aber sicherlich eingespielteste Team trifft auf Lievremont's Experiment mit vielen Neulingen und hat dazu noch Heimvorteil, zum vorletzten mal vor der riesigen Kulisse des Croke Park bevor ab 2010 wieder im weit kleineren Stadion an der Lansdowne Road gespielt werden muss. Negativ ist natürlich, dass das vielleicht entscheidende Spiel auswärts in Cardiff stattfindet: Hier hat Irland schon die 6Nations 2005 am letzten Spieltag im Entscheidungsspiel an Wales verloren.
3. FRANKREICH: Für wohl keinen Trainer werden diese 6Nations so wichtig wie für Marc Lievremont: Hat er Erfolg, so werden ihn seine Anhänger preisen für seinen bedingsungslosen Erneuerungskurs, mit dem er Frankreich mit so harter Hand revolutioniert wie es seit de Robespierre keiner mehr gewagt hat - gehen seine Experimente aber in die Hose, so wird er froh sein müssen, wenn seine Anbsetzung glimpflicher ausgeht als die seines historischen Vorbilds. Sein Trainingskader für das erste schwere Spiel in Dublin zeigt, was dieser Mann für ein Risiko eingeht: Ellisalde raus, Trinh-Duc nach Nachnominierung doch wieder gestrichen und somit keinerlei Ersatz für Flyhalf Beauxis (nicht mal ein Center oder Fullback, der das notfalls spielen könnte - Ellisalde, der im letzten Jahr in Toulouse gelegentlich erfolgreich hinter Kellerher auflief, ist wie gesagt nicht dabei). Schwächen der Franzosen sind neben einem eventuell übertrieben risikofreudigen Trainer ihre Props, hier vorallem die Looseheads: Trotz zweier klasse Hooker scheinen die Franzosen die mit großem Abstand schwächste 1.Reihe des Turniers zu haben. Ihre Stärken hingegen liegen in einer weltklasse 3. Reihe, auch ohne den gestrichenen Bonnaire und traditionell vorallem auf Wing und Fullback, wo der für Toulouse beeindruckende Medard gleich nach dem Iren Kearney und dem Waliser Halfpenney für mich der heisseste Tip ist für den Spieler, der den großen Durchbruch schafft.
4. SCHOTTLAND: Den Schotten traue ich die größte Verbesserung zu nachdem sie im Herbst besonders gegen Südafrika eine äußerst ansprechende Leistung zeigten. Von 1 bis 9 ist man durchgehend hervorragend besetzt - die Homogenität der Schotten hier beeindruckend. Ihre erste Reihe hat im Herbst jedem Gegner die Grenzen aufgezeigt und sollte Euan Murray diese Leistung bestätigen, dann sollte das Lionstrikot mit der Nummer 3 diesen Sommer definitiv vergeben sein. Schlüsselspieler im schottischen Sturm ist jedoch ein Australier, denn ich sehe in Nathan Hines den derzeit besten 2. Reihe Spieler Europas. Die 3.Reihe ist mit Glasgow's "Killer Bees" Beattie, Barclay und Browne ebenfalls mehr als nur ordentlich, insbesondere Openside Barclay ist mit seiner Arbeitseinstellung zentral für den Erfolg Schottlands. Hinter dem Sturm geht es mit Mike Blair, einem der fünf für den "Spieler des Jahres" Nominierten, mit einem Klassespieler weiter, der wohl ebenfalls der Mann ist, den es zu schlagen gilt, wenn man im Sommer für die Lions auflaufen will. Weshalb es für Schottland nicht für mehr reicht als für Platz 4 liegt daran, dass die Positionen 10-15 bei weitem nicht so besetzt sind wie die zuvor. Keine der Flyhalf-Optionen Parks, Godman und Jackson klingen zu verheißungsvoll, wobei letzterer immerhin ein Talent für die Zukunft sein könnte. Dahinter gibt es mit Thom und Max Evans zwei tolle Talente, auf die man sich freuen kann, den verläßlichen Chris Patterson und die Gebrüder Lamont - alles gute Spieler, aber nunmal doch sehr weit weg von der Creme de la Creme der 6Nations. Ein weiterer Nachteil ist die äußerst mäßige Beteiligung im heimischen Murrayfield, so dass den Spielern Auftritte zu Hause wie Auswärtsspiele vorkommen müssen.
5. ENGLAND: Ja, richtig gelesen, ich denke dass England vollkommen einbrechen wird. Die Herbsttests lassen kaum einen anderen Schluss zu nachdem man innerhalb von einer Woche vollkommen hilf- und chancenlos seine beiden höchsten Heimniederlagen der Geschichte einstecken musste - und das trotz beinahe Bestbesetzung. Ihre traditionell starke 1.Reihe ist geschwächt (Sheridan ausser Form, Stevens beim wohl koksen erwischt) und in Tom Rees haben sie ihre verheißungsvollste Sturmhoffnung verloren. Wilkinson's Verletzung und Lamb's Ignorierung legen auf Flyhalf entweder alle Verantwortung auf Cipriani, der ein toller Spieler, aber nunmal kein Flyhalf von internationalem Format ist und sich mit ständigen Gegenversuchen nach geblockten Kicks zum Sicherheitsrisiko entwickelt. Oder aber Toby Flood muss auf 10 auflaufen, wo er bei Leicester aufgeblüht ist - dann fehlt er aber auf 12, wo Riki Flutey eine unterirdische Saison spielt. Auf 13 gibts wie jedes Jahr die Wahl zwischen Tindall und Noon, beide sinnbildlich für England 2009: Solide, aber nicht herausragend - eine Situation, die sich durch beinahe die ganze Mannschaft zieht. Hoffnungsschimmer für England könnten ihr Line-out mit den Spezialisten Lee Mears und Nick Kennedy sein, ihre im Herbst stark spielende Back-three Kombination Moyne-Sackey-Armitage und vorallem Danny Care auf 9 - für mich noch vor Mike Blair der kommende Lions-Scrumhalf für die Südafrika Tour im Sommer.
6. ITALIEN: Blufft Nick Mallet oder plant er allen Ernstes, mit einem Center auf Flyhalf (Andrea Masi) und vorallem mit einem Flanker auf Scrumhalf (MAURO Bergamasco) ins Turnier zu gehen? Nachdem Mallet's Qualitäten und seine mentale Gesundheit über alle Zweifel erhaben sein dürften, spricht allein die Erwägung dieses Plans Bände über die mangelnde Qualität, die Italien hinter ihrem Monstersturm nur aufbieten kann. Wie in jedem Jahr glänzen die Forwards mit Spielern der absoluten Weltkalsse wie Castrogiovanni und Parisse (auch wenn ich zuletzt SF Spiele gesehen habe, in denen er - auf 6 - ein Schatten seiner selbst war) - und hinten ist seit Mirco Bergamasco und Gonzalo Canale seit Jahren nichts mehr nachgekommen. Ich weiß nicht, was mit Ramiro Pez und Paul Griffen ist (verletzt?), aber ich befürchte, die Scrumhalf-Flyhalf-Kombination Mauro Bergamasco - Andrea Masi wird Italien noch stärker auf Pick-and-go und Kicks zum Line-out limitieren als dies sonst der Fall war. Sollte ihnen nicht am ersten Spieltag die Sensation in Twickenham gelingen sehe ich die Italiener leider als Favoriten auf den Wooden Spoon.
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